Eisenbahn Journal 1997-10.pdf

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Inhalt
Editorial
Was des einen Freud’, ist des anderen Leid, sagt ein Sprich-
wort. Auf das Verhältnis der Eisenbahnfans zum Rest der
Menschheit übertragenheißt das:Wo jene vergangenen Bade-
und Grillfreuden nachtrauern, beginnt für unsereins die ak-
tive Jahreszeit: Modellbahner treibt’s in Keller oder Speicher,
Vorbildfans kamerabewehrt an die Strecke. Wohl läßt sich
zwar dank der längeren Tagesstunden im Sommer der eine
oder andere Zug ablichten, den sonst das Dunkel der Nacht
verbirgt; doch die meiste Zeit des Tages verderben eine zu
hoch stehende Sonne sowie Staub und Dunst den Fotospaß -
von der Hitze und allerlei stechendem Getier einmal ganz
abgesehen.
Nun, im Herbst, locken dagegen eine kräftig gefärbte Natur
und eine schräger stehende Sonne die Kamerabesitzer an die
Strecke. Eng zugehen wird es dabei mit Sicherheit dort, wo
noch etwas zu ”holen” ist, wo man Baureihen nachpirschen
kann, die vielleicht schon im nächsten Jahr in die Schmelz-
öfen wandern. Tübingen beispielsweise ist so ein Eck. So
manchem älteren Eisenbahnfreak dürfte die schwäbische
Universitätsstadt noch aus Zeiten bekannt sein, als dort die
letzten 038 der DB ihr Gnadenbrot verdienten und quasi
nebenan in Horb bei einer 078 nach der anderen das Feuer
erlosch.Nun tuckern am Neckar die letzten VT 98 der DB AG
durch den Lärm der Kameraverschlüsse, auch sie Vertreter
einer klassischen Baureihe.
Freilich sind die Raritätenjäger nicht unbedingt auf einen
Besuch im Südwesten angewiesen. Auch in vielen anderen
Regionen des Landes sind Lokomotiv- und Triebwagenbau-
reihen unterwegs, deren Monate bereits gezählt sind. Man-
che von ihnen war sogar schon totgesagt worden, so die 109,
die frühere E 11 der DR. Fast ebenso ernst steht es um die 228.
Sie wird nur noch für Reservedienste herangezogen.
Kein Geheimnis ist auch, über welchen der heute noch häu-
figer anzutreffenden Baureihen der Damokles-schweißbren-
ner schwebt: 211,212 und 216 heißen die heißesten Kandida-
ten, dazu 103 und 141. Ablösungsbedürftig sind zudem die
Münchner und Hamburger S-Bahn-Züge420 bzw. 471, deren
Nachfolger in den nächsten Jahren in Betrieb genommen
werden sollen.
Freilich müssen es nicht immer Fast-Oldtimer sein: Wer sich
mehr für die Zukunft der Bahn interessiert, findet ebenfalls
im Herbst die beste Foto-Jahreszeit.Kirsch- und verkehrsrot
lackierte Lokomotiven wirken wie extra für Fotofans ge-
schaffen. Sie dürften in jedem Fall ein besseres Motiv abge-
ben als solche Fahrzeuge, die immer noch im beige/türkis-
farbenen Kleid umherrollen - womöglich ausgebleicht und
verdreckt. Viel Erfolg bei der Bilderjagd wünscht Ihnen
Ihre EJ-Redaktion
Von der C zum Cisalpino
Schnellzugverkehr Stuttgart - Zürich im Wandel der Zeit
Der Cisalpino: Schneller Über die Alpen
DR-Dampf pur!
Start einer neuen EJ-Publikationsreihe
Frankenwald-Schub
Die Rampe Stockheim - Probstzella
Ein Fest der Freude
100 Jahre Cranzahl - Oberwiesenthal
Abschied vom Gläsernen Zug
Die Güterzugtenderlokmotiven der BR 93.5-12
Geschichteder preußischenGattungenT 14 und T 14’
Schweizer Bahnen: Jubiläums-Sommer
Norwegens Di 6 im Einsatz
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Weißlblaue Eisenbahnromantik en miniature:
Sommerausflug nach Hundling
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Weihnachtsanlage in HO mit Spitzkehrenbahnhof (Teil 3):
Gleisbau mit Pilz-Elite
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Keine Angst vor Profilwechseln!
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I Hohnstein zur Jahrhundertwende
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Erinnerungen an Goßdorf/Kohlmühle - Hohnstein in 1:87
Einfach und schnell zur Weihnachts-Eisenbahn (1. Teil)
Die Eltern-Kind-Anlage
Endlich eine Elna!
Weinerts Bausatz der Elna 6
Das große Quattro-Gewinnspiel
Die Schwerathletin vom Gotthard (11)
Ae 8/14 11801 als HO-Modell von Märklin und Trix
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ial-F bri kg
Bahn-Notizen
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Club-Shop
Fachhändler-Adressen
Impressum
Bücherecke
Typenblatt: Baureihe 94’, württ. Tn
Typenblatt: Baureihe 9419~20-21,
sächs. XI HT
Übersicht über die Verlags-Neuheiten
Tips 81 Tricks: Polwendeschaltung
Schaufenster der Neuheiten
Auto-Neuheiten
Modellbahn-Notizen
Mini-Markt
Video-Reihe Führerstands-Mitfahrten
Bahn-Post (Leserbriefe)
Sonderfahrten und Veranstaltungen
Titelbild: Schon einmal hieß es beinahe, vom Gläsernen
Zug Abschied zu nehmen, als er Ende 1985 zur Hauptunter-
suchung anstand. Die letzte Karwendelrundfahrtin olympia-
blauer Lackierung absolvierte der beliebte Aussichtstrieb-
wagen am 23.12.1985, hier bei Reith. Abb.: C. Kirchner
Eisenbahn Journal 10/1997
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ie erste Verbindung von Stuttgart nach
Zürich bestand bereits ab 1856. Da-
mals stellte die Schweizerische Nord-
ostbahn (NOB) die Verbindung von
Zürich-Oerlikon nach Zürich Hauptbahn-
hof fertig. Über die ein Jahr zuvor gebaute
Strecke Oerlikon - Winterthur - Rorschach
konnte der Bodensee auf der Schiene er-
reicht werden. Nach dem Übersetzen mit
der Fähre nach Friedrichshafen wurde auf
der 1850 vollendeten württembergischen
Strecke Stuttgart über Ulm erreicht. Die
NOB stellte 1857 die Verbindung von Win-
terthur nach Schaffhausen her. Damit war
Schaffhausen von Zürich über Winterthur
erreichbar.
Als die Großherzoglich Badischen Staats-
bahnen von Basel her den Bodenseean ihr
Streckennetz anbanden, wurde die Strek-
ke überwiegend am Rhein entlanggeführt.
Obwohl diese Strecke bereits 1863 erbaut
wurde, dauerte es dann noch bis Ende
1869, bis der Gemeinschaftsbahnhof der
beiden Verwaltungen in Schaffhausen be-
zugsfertig war.
DieStreckevon Singen nach Donaueschin-
gen entstand als Zufahrt zur badischen
Schwarzwaldbahn. 1866 wurde Engen und
1868 Donaueschingen von Singen her er-
reicht. 1873 war die Bahn von Offenburg
bis Singen durchgehend befahrbar.
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Bereits seit 141 Jahren ist es möglich, Per Bahn von Stuttgart nach Zürich zu fahren.
War es anfangs ein umständliches Unterfangen mit Bodenseefähre und den Umwegen
über Ulm und Winterthur, so brachte die Eröffnung der Gäubahn im Jahre 1879 eine
Verbesserung. Und schon vor 100 Jahren war die noch heute befahrene Route zwi-
schen Baden-Württembergs Landeshauptstadt und der Schweizer Metropole endgültig
hergestellt. Charakteristisch für verschiedene Zeitphasen waren die Einsätze der
)cschönen. württ. C, der preuß. P 10 und der V 200. Eine Modernisierung brachte die
Elektrifizierung, die sich abschnittsweise von 1963 bis 1989 hinzog. Jetzt soll die
Zu(g)kunit beginnen: Mit vorerst einem Zugpaar wird der Cisalpino an den Start gehen.
Längerfristig sollen mit dem ETR 470 bis zu vier Zugpaare gefahren werden.
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In Plochingen an der württembergischen
Ostbahn Stuttgart - Ulm schloß ab 1857
die obere Neckarbahn nach Reutlingen an.
Die alte Universitätsstadt Tübingen und
Rottenburgwurden 1861 erreicht. Die Bahn
wurde weitergeführt über Horb (1866),
Rottweil (1868), Tuttlingen (1869) und er-
reichte im Kriegsjahr 1870 lmmendingen
an der badischen Schwarzwaldbahn. So-
mitwar eine Schienenverbindung von Stutt-
gart über Singen und Schaffhausen nach
Zürich ab 1870 möglich. Aber die badische
Staatsbahn wollte ihrem Verkehr in die
Schweiz auf der Rheintallinie keine Kon-
kurrenz entstehen lassen. Die württember-
gische Bahn wurde daher in lmmendingen
so angeschlossen, daß zur Weiterfahrt
Richtung Schweiz Kopf gemacht werden
mußte. Erst 1934 wurde die 7 km lange
Abkürzung Tuttlingen - Hattingen (Baden)
gebaut, die den durchgehenden Zugver-
kehr Stuttgart - Singen ermöglichte.
Im Jahre 1872 wurde schließlich der Bau
einer Bahn von Stuttgart nach Freuden-
stadt festgelegt. Diese Bahn sollte auf ih-
rem Weg nach Freudenstadt über Böblin-
gen und Herrenberg nach Eutingen im Gäu
führen, dort an die Württembergische
Schwarzwaldbahn anschließen. Diese war
bereits 1874 fertiggestelltworden und führ-
te von Stuttgart über Weil der Stadt, Calw,
Nagold und Eutingen nach Horb.
Die Gäubahn wurde durchgehend am
1. September 1879 bis Freudenstadt eröff-
net. Die Strecke mußte in ihrem ersten Teil
- um die erforderliche Höhe gewinnen zu
können - am Rande des Stuttgarter Tal-
kessels entlanggeführt werden; zahlreiche
Kunstbauten wie der 579 m lange Kriegs-
bergtunnel mu ßten errichtet werden. Bis
zum Erreichen des 370 m hoch gelegenen
früheren Bahnhofs Hasenberg (ab 1896
Westbahnhof) hat man vom Zug aus eine
der schönsten Aussichten auf die Stadt
Stuttgart, so daß der erste Teil der Gäu-
bahn baldden Beinamen "Panoramabahn"
erhielt. Bis zur Elektrifizierungwurden die
schweren Züge von Stuttgart bis Vaihingen
grundsätzlich nachgeschoben.
Obwohl ursprünglich nur die Strecke Stutt-
gart - Eutingen amtlich als Gäubahn be-
zeichnet wurde, werden inzwischen auch
die Abschnitte bis Tuttlingen oder gar bis
ins badische Singen als Gäubahn bezeich-
net, obwohl sie Teil der württembergischen
Schwarzwaldbahn(Eutingen- Horb), Obe-
L
ren Neckarbahn (Horb - Immendingen)
bzw. der badischenSchwarzwaldbahn (im-
mendingen - Singen) sind.
Mit der Fertigstellung der alten Gäubahn
konnte die Fahrstrecke von Stuttgart in die
Schweiz 1879 um 36 km verkürzt werden.
Noch mußte aber von Schaffhausen nach
Zürich der Umweg über Winterthur genom-
men werden. Erst 1897 konnte mit der
Fertigstellung der Eglisauer Rheinbrücke
die Strecke Eglisau - Schaffhausen eröff-
net werden. Damit war ab 1897 die noch
heute befahrene Strecke hergestellt.
Bilder 1 und 2: Eine schnittige Nase aus der
Hand des italienischen Stardesigners Giugia-
ro: Künftig soll der elegante Cisalpino (links
der Prototyp Treno Zero" am 9. Juli 1997 auf
Meßfahrt in Horb) die Verbindung Stuttgart -
Zürich ebenso prägen wie zur Dampflokära
die legendäre "schöne Würltembergerin",die
wüM. Klasse C (oben zwei Maschinen mit
Schnellzug aus der Schweiz auf der Steigung
von Horb nach Eutingen).
Abb.: B. Sonthelmer; A. Ulmer,
Archiv Braitmaier
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Bild 3 (links): Im
Jahre 1868
erreichte der Bau
der durchgehenden
Schienenverbin-
dung von Stuttgart
über Singen und
Schaffhausen nach
Zürich den Ort
Rottweil -hier ein
Blick auf die
ausgedehnten
Gleisanlagen um
das Jahr 1910.
Bild 4 (Mitte): Ein
stattliches
Betriebsgebäude:
der alte Bahnhof
Tuttlingen um das
Jahr 1930.
Beide Abb.:
Sammlung Beck
karbahn von Horb bis Immendingen, die
bisher noch eingleisigwaren. Nur der erste
Abschnitt Stuttgart Hbf -Stuttgart West der
Gäubahnwar bereits 1895zweigleisigaus-
gebaut worden. Die Arbeiten begannen im
Jahr 1926 mit dem zweigleisigen Ausbau
der Gäubahn bis Eutingen.
Im Zuge dieses Umbaus wurden auch der
Bahnhof Tuttlingen neu gebaut, die Bahn-
hofsanlagenin Rottweil, EutingenundHorb
modernisiert und der Umweg über Immen-
dingendurch eine neue8,2 km langeStrek-
ke nach Hattingen (Baden) abgekürzt.
Durch diese umfassenden Maßnahmen
konnte die Fahrzeitvon Stuttgart nach Sin-
gen um 40 Minuten verkürzt werden.
Die SBB, seit 1902 Nachfolgerinder NOB,
hatte ihre StreckeZürich-Schaffhausen in
ihr erstes Elektrifizierungsprogramm auf-
genommen. Als letzter Teil dieses Pro-
gramms kam Zürich - Schaffhausen 1928
unter den Fahrdraht. Durch die gemeinsa-
men Bemühungen der SBB und der DRG
konnte die Fahrzeit Stuttgart - Zürich im
Sommer 1934auf 4 Stunden 14 Minutenfür
den schnellsten Zug, den D 212, gedrückt
werden. Gleichzeitig wurde die Zahl der
durchgehenden Zugpaare auf drei erhöht.
Die kürzeste Reisezeit heute sind 3 Stun-
den 2 Minuten.
Wie überall brachte das Ende des Zweiten
Weltkriegsfür diese Verbindung einschnei-
dende Betriebserschwernisse. In der un-
mittelbarenNachkriegszeitbehinderteauch
die bei BondorfgelegeneGrenzezwischen
der amerikanischenund der französischen
Besatzungszoneden Verkehr. Dazu kam,
daß das zweite Gleis in der französischen
Zone zwischen Horb und Tuttlingen abge-
baut und als Reparationsleistung nach
Frankreichabtransportiertwurde.DieStrek-
ke ist dort bis heute noch eingleisig, was
den Betrieb gelegentlich beträchtlich er-
schwert. Bei allfälligen Gleisarbeiten wird
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einen weiteren durchgehenden Zug von
Stuttgart nach Immendingen, alles andere
waren Lokalzüge, die diese Strecke nur
teilweise nutzten.
Dies sollte sich erst ändern, als nach 1920
die ehemaligen Länderbahnen in der DRG
aufgingen. Die Bereiche der Eisenbahn-
Generaldirektionen, später Reichsbahn-
Direktionen (Rbd) Karlsruhe und Stuttgart
deckten sich mit denen der früheren Län-
derbahnen. Beide Direktionen teilten sich
also wie zuvor die Zuständigkeit für die
Strecke Stuttgart - Singen. Aber unter der
gemeinsamen Regie der DRG schwanden
die früheren Eigeninteressen.
Ein erstes Projekt der Reichsbahn in Süd-
westdeutschland war der mit der Landes-
regierung in Stuttgart ausgehandelte und
von ihr hauptsächlichfinanzierte zweiglei-
sige Ausbau der Strecke Osterburken -
Hattingen. Dies betraf also auch die Gäu-
bahn und das Teilstück der Oberen Nek-
Aber zumindest die beiden deutschenVer-
waltungen hatten wenig Interesse an ei-
nem durchgehenden Verkehr auf dieser
Strecke. Beide wollten den Verkehr in die
Schweiz auf einem möglichst langen Weg
auf eigenen Gleisen führen. Daher wurde
von den GroßherzoglichBadischenStaats-
bahnen die Rheintalstrecke Mannheim -
Basel oder die eigene Schwarzwaldbahn
Offenburg - Singen bevorzugt. An einer
guten Anbindung der Züge aus Stuttgart
hatte man verständlicherweise überhaupt
kein Interesse.
Die K.W.St.E. hingegen ließ den gesamten
Verkehr in die Schweiz lieber über die Süd-
bahn Ulm - Friedrichshafenund die eben-
falls staatlichen Bodenseeschiffe laufen.
Diesschlugsichinder Bedienungder Strek-
ken und den resultierendenFahrzeitennie-
der. Ähnlich entwickelt war auch der übrige
Verkehr auf der Gäubahnl Oberen Neckar-
bahn. Es gab neben dem D38 lediglich
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Zgłoś jeśli naruszono regulamin