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Platon PARMENIDES
Platon
PARMENIDES
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PARMENIDES
Kephalos erzählt; in seinem Bericht treten auf:
A DEIMANTOS , G LAUKOM , A NTIPHON
Als wir von unserer Heimatstadt Klazomenai her nach
Athen kamen, trafen wir auf der Agora mit Adeimantos
und Glaukon zusammen; Adeimantos ergriff meine Hand
und rief: Sei willkommen, lieber Kephalos, und wenn du
hier etwas brauchst, was in unserer Macht steht, so sag es
nur.
Aber gerade deswegen bin ich ja da, erwiderte ich; ich
möchte euch um etwas bitten.
So bring dein Anliegen vor, erwiderte er.
Da fragte ich ihn: Wie war denn nur der Name eures
Stiefbruders von Mutterseite her - ich entsinne mich
nicht mehr. Er war doch noch so ein kleiner Knabe, als
ich das letztemal aus Klazomenai hierher zu Besuch
kam; und seither ist schon viel Zeit verflossen. Sein Va-
ter hieß, glaube ich, Pyrilampes.
Jawohl, gab er zur Antwort, und er selbst heißt Anti-
phon. Aber warum möchtest du das eigentlich wissen ?
Diese Männer da, erwiderte ich, sind meine Mitbürger,
philosophisch hochgebildete Leute. Sie haben gehört, daß
dieser Antiphon viel mit einem gewissen Pythodoros,
einem Jünger des Zenon, zusammengewesen ist und daß
er das Gespräch, das damals Sokrates und Zenon und
Parmenides miteinander geführt haben, im Gedächtnis
behalten hat, weil er es oft von Pythodoros zu hören be-
kam.
Ja, das ist wahr, erwiderte er.
Davon also, sagte ich, möchten wir einiges vernehmen.
Das bietet keine Schwierigkeit, erwiderte er. Als mein
Bruder noch ein Jüngling war, hat er sich eifrig mit die-
sen Gesprächen abgegeben, während er sich jetzt, ganz in
der Art seines Großvaters, der auch denselben Namen
trägt, fast nur noch mit der Reitkunst beschäftigt. Gehen
wir also zu ihm, wenn es denn sein muß; eben ist er von
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hier weg nach Hause gegangen; er wohnt ja ganz in der
Nähe, in Melite.
Mit diesen Worten machten wir uns auf den Weg, und
wir trafen Antiphon zu Hause, wie er gerade dem
Schmied einen Zaun zum Ausbessern herausgab. Als er
diesen abgefertigt hatte, sagten ihm die Brüder, weshalb
wir da seien; er erkannte mich wieder, von meinem frü-
heren Besuch her, und begrüßte mich. Als wir ihn baten,
uns von jenem Gespräch zu erzählen, zögerte er zunächst.
Das sei eine gar große Aufgabe, sagte er, begann dann
aber doch zu berichten.
(Es folgt die Erzählung des Antiphon; darin treten der
Reihe nach auf: P YTHODOROS , S OKRATES , Z ENON ,
P ARMENIDES , A RISTOTELES .)
Antiphon sagte also, Pythodoros habe ihm erzählt, wie
einst Zenon und Parmenides zu den großen Panathenäen
gekommen seien. Parmenides sei schon recht betagt ge-
wesen, ganz weißhaarig, aber edel und schön von Ange-
sicht, so um die fünfundsechzig Jahre herum. Zenon
dagegen hätte damals gegen die Vierzig gezählt; er sah
schlank und anmutig aus, und man habe behauptet, er sei
einst der Geliebte des Parmenides gewesen. Ihr Quartier
hätten die beiden bei Pythodoros gehabt, außerhalb der
Mauer im Kerameikos; dorthin sei dann auch Sokrates
gekommen und manche andere mit ihm, die alle den
Wunsch hatten, Zenon aus seiner Schrift vorlesen zu hö-
ren; diese wäre nämlich damals zum ersten Male von
jenen Männern hergebracht worden. Sokrates aber sei da
noch ganz jung gewesen.
Zenon hätte ihnen nun selbst vorgelesen: Parmenides
aber war gerade ausgegangen. Als nun die Vorlesung
schon beinahe zu Ende war, sei Pythodoros selber - so
erzählte er - auch von draußen hereingekommen und mit
ihm Parmenides und Aristoteles, der später einer von den
Dreißig war, und sie hätten eben noch ein kleines Stück
von der Schrift vernommen; er selbst hätte sie freilich
schon früher von Zenon gehört.
Als nun Sokrates dem Zenon zugehört hatte, habe er ihn
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gebeten, er solle doch noch einmal die erste Hypothese
des ersten Abschnittes lesen, und als das dann geschehen
war, habe er ihn gefragt:
Wie ist das also, Zenon: du meinst, wenn das Seiende
Vieles ist, so müsse es sowohl ähnlich als unähnlich sein;
das dürfe aber unmöglich der Fall sein; denn es könne
doch weder das Unähnliche ähnlich noch das Ähnliche
unähnlich sein? Das wolltest du doch sagen ?
Jawohl, gerade das, habe Zenon erwidert.
Und nicht wahr: wenn es unmöglich ist, daß das Un-
ähnliche ähnlich und das Ähnliche unähnlich ist, so kann
es also auch unmöglich Vieles geben ? Denn wenn es
Vieles gäbe, so müßten ihm doch wohl diese Unmög-
lichkeiten widerfahren. Deine Worte wollen also nichts
anderes behaupten, als daß es, im Gegensatz zu jeder
landläufigen Meinung, ein Vieles nicht gibt. Und eben
dafür meinst du mit jedem Abschnitt deiner Schrift einen
Beweis erbracht zu haben, und du glaubst demnach, ge-
rade so viele Beweise zu liefern, als du Kapitel ge-
schrieben hast, nämlich dafür, daß es ein Vieles nicht
gibt. Das willst du doch sagen, oder verstehe ich dich
nicht richtig?
Doch, habe Zenon erwidert, du hast gut begriffen, was
meine Schrift im ganzen sagen will.
Ich verstehe wohl, lieber Parmenides, habe da Sokrates
gesagt, daß Zenon nicht nur durch seine Freundschaft mit
dir verbunden sein will, sondern auch durch dieses Buch.
Er hat nämlich gewissermaßen dasselbe geschrieben wie
du; er kehrt es nur um und versucht uns so die irrige
Meinung beizubringen, daß er etwas anderes sage. Du
behauptest doch in deinem Gedicht, daß das All Eins sei,
und bringst dafür gute und schlüssige Beweise vor. Er
dagegen behauptet, es sei nicht Vieles, und auch er be-
weist das mit zahlreichen und gewichtigen Gründen.
Wenn nun der eine sagt, es gebe nur Eins, der andere
aber, es gebe nicht Vieles, und sich dann doch jeder von
beiden so anstellt, als habe er scheinbar nicht dasselbe
gesagt, während doch beide ungefähr das gleiche be-
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haupten, so geht offenbar eure Art der Beweisführung
über das Verständnis von uns anderen hinaus.
Freilich, lieber Sokrates, habe Zenon geantwortet. Du
hast nun aber doch den wahren Sinn meiner Schrift nicht
ganz erfaßt, obschon du, wie das die spartanischen Jagd-
hunde tun, die Gedankenspur gut aufnimmst und sie
weiter verfolgst. Doch ist das schon dein erster Irrtum:
meine Schrift nimmt sich durchaus nicht so wichtig, daß
sie, obschon sie in der von dir vermuteten Absicht verfaßt
wurde, dies nun vor den Menschen verbergen und der-
gleichen tun wollte, als handle sie von weiß was für einer
großartigen Sache. Was du nämlich anführst, das geht
mehr so nebenher; in Wirklichkeit ist aber die Schrift
nichts anderes als eine Hilfeleistung an Parmenides gegen
jene, die ihn verspotten wollen und sagen, daß der Satz,
es gebe nur Eins, recht viel Lächerliches und Wider-
sprüchliches an sich habe. Und darum wendet sich nun
also meine Schrift gegen diejenigen, die behaupten, es
gebe Vieles, und zahlt ihnen mit doppelter Münze zurück,
indem sie zu beweisen sucht, daß ihre Hypothese, daß es
Vieles gebe, noch mehr zum Lachen ist als die andere,
daß es nur Eins gebe, sofern man der Sache genau auf
den Grund geht. Aus dieser Streitlust heraus habe ich also
die Schrift in meiner Jugend verfaßt; doch da stahl mir
irgend jemand das Manuskript, so daß ich nicht einmal
erwägen konnte, ob ich sie herausgeben sollte oder nicht.
Insofern irrst du dich also, Sokrates, wenn du meinst, sie
sei nicht aus der Streitlust eines jungen Mannes heraus,
sondern aus dem Ehrgeiz des älteren Mannes geschrieben
worden. Im übrigen hast du sie, wie ich bereits sagte, gar
nicht schlecht charakterisiert.
Gut, ich nehme die Erklärung an, habe Sokrates erwidert,
und glaube, daß es sich so verhält, wie du sagst. Aber ich
möchte noch folgendes wissen: hältst du nicht dafür, daß
es einen Begriff der Ähnlichkeit an sich gibt, und dann
wieder einen anderen, der diesem entgegengesetzt ist,
nämlich das Unähnliche, und daß an den beiden sowohl
ich als auch du teilnehmen und ebenso alles andere, das
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