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"Gestern wollte ich wieder sterben"
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DAS DEUTSCHE NACHRICHTEN-MAGAZIN
Hausmitteilung
31. August 2009
Betr.: Titel, Große Koalition, „Dein SPIEGEL“
M ehr als 400 000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Krebs. SPIE-
GEL-Reporter Jürgen Leinemann, 72, der 36 Jahre für den SPIEGEL gearbeitet
hat, erhielt diese Diagnose im Frühjahr 2007. Von ihm porträtiert zu werden war für
Politiker oft eine Ehre, aber immer auch ein Wagnis: Leinemann beschrieb die Psyche
der Mächtigen, sein Blick war genauer, sein Urteil häufig schärfer, als es den Porträ-
tierten lieb war. Als Leinemann in diesem Frühjahr den Henri-Nannen-Preis für sein
Lebenswerk erhielt, arbeitete er längst an seiner schwierigsten Geschichte: Präzise und
schonungslos wie immer blickt er nun in die Seele eines Krebspatienten, er beschreibt
seine Angst, seine Hoffnung und das Bemühen um Normalität und Würde (Seite 32).
Minuten zugelassen, Ton-
aufnahmen nicht, und schrei-
benden Journalisten bleibt der
Zutritt zu Sitzungen des Bun-
deskabinetts nahezu immer
verwehrt. SPIEGEL-Redakteur
Markus Feldenkirchen, 33, er-
hielt für die Recherchen über
die Bilanz der Großen Koali-
tion eine Ausnahmegenehmi-
gung. Er war eine Zeitlang
Zeuge, wie höflich und fried-
fertig die Minister ihr Tage-
werk miteinander verrichteten. Auf den unteren Ebenen des Regierungsapparats jedoch
dominieren Streit und Missgunst, wie Feldenkirchen sowie die Redakteure Kerstin
Kullmann, 31, Roland Nelles, 37, Ralf Neukirch, 44, und René Pfister, 35, herausfan-
den. Das Reservoir an Gemeinsamkeiten ist aufgebraucht. „Eine Fortsetzung dieser
Koalition sollten die Wähler SPD und Union ersparen“, sagt Neukirch (Seite 54).
Feldenkirchen im Kabinettssaal
gestellt: „Üben Sie Ihre Wahlkampfreden zu Hause vor der Familie?“ Oder: „Was
war das Ekligste, was Sie auf Ministerreisen essen mussten?“ Die Hamburger Schüle-
rin Regina, 11, sowie Nils, 10, aus Berlin interviewten als Kinderreporter den Kandi-
daten der SPD. Das Gespräch ist Teil der Titelgeschichte von „Dein SPIEGEL“, einem
Nachrichten-Magazin für neugierige Kinder. Das Heft befasst sich mit der Bundes-
tagswahl, es erklärt anschaulich, worum es bei der Wahl geht und was die Parteien
wollen. In „Dein SPIEGEL“ finden Kinder Unterhaltsames, aber auch Themen aus
Politik, Natur und Technik sowie Reportagen aus aller Welt. Im Kinderheft schreiben
SPIEGEL-Redakteure über die Piraterie vor Afrika, über
den Klimawandel oder über die Stars aus dem Disney-
Imperium. Unterstützt werden sie von Kinderreportern
wie etwa Viva, 8. Die hatte die Sprecher der Parteien ge-
beten, ihr zu erklären, was „ich davon habe, wenn eure
Partei die Wahl gewinnt“. Konzipiert wurde „Dein SPIE-
GEL“ von den Redakteuren Martin Doerry, 54, Ansbert
Kneip, 47, und Bettina Stiekel, 42. Wolfgang Busching,
53, und Kristian Heuer, 33, entwarfen das Layout. „Kin-
der haben Fragen zu vielen Themen – auch jenseits von
Gameboy und Computer“, sagt Doerry, „sie verdienen
ernsthafte Antworten.“ „Dein SPIEGEL“ erscheint am
Dienstag dieser Woche und kostet 3,40 Euro.
Im Internet: www.spiegel.de
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K ameras sind ein paar
S olche Fragen werden Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, 53, sonst nicht
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In diesem Heft
Titel
Die Geschichte einer Krankheit – wie der
langjährige SPIEGEL-Reporter Jürgen Leinemann
seinen Kampf gegen den Krebs erlebt ................... 32
Deutschland
Panorama:
Die missglückte Opel-Rettung
Seite 20
Kanzlerin Angela Merkel hat
sich beim Ringen um die
Zukunft des Rüsselsheimer
Autobauers Opel in eine
Sackgasse manövriert. Der
geplante Verkauf an das öster-
reichisch-russische Magna-
Konsortium stößt auf Vorbe-
halte des Mutterkonzerns Ge-
neral Motors. Einen Zuschlag
an andere Investoren lehnt
Berlin ab. In den USA wächst
der Unmut über die Deut-
schen, und die Bundesregie-
rung streitet über die richtige
Verhandlungsstrategie.
Notizen führten zur Festnahme der
Ex-Terroristin Becker / Eine Mehrheit der
Deutschen lehnt Schweinegrippe-Impfung ab /
Staatliche Bankengruppe soll Unternehmen aus
der Kreditklemme helfen ....................................... 15
Staatshilfen:
Der Fall Opel – Chronik
einer missglückten Rettungsaktion ........................ 20
Bundestagswahl:
Wie sich Merkel und
Steinmeier als Retter in der Krise präsentieren ..... 25
Afghanistan:
Die dürftige Ausrüstung
der Bundeswehr .................................................... 28
Waffen:
Trotz schärferer Gesetze ändert sich
in der Praxis wenig ............................................... 50
Migranten:
Eine junge Türkin kämpft gegen
die Verwandtenehen ihrer Landsleute ................... 52
Koalition:
Ein Rückblick auf
vier enttäuschende Jahre ...................................... 54
Justiz:
Opel-Beschäftigte in Rüsselsheim
Ausländerhass war das entscheidende
Motiv bei der Tötung einer jungen Ägypterin
in Dresden ............................................................ 64
Zeitgeschichte:
Wie die Tschechen
um die Erinnerung an die Vertreibung
der Sudeten streiten .............................................. 66
Karrieren:
Bedingt einsatzbereit
Der inhaltsfreie Wahlkampf der
CDU-Bundestagskandidatin Vera Lengsfeld .......... 69
Gesellschaft
Szene:
in Afghanistan Seite 28
Interne Berichte der Bundeswehr belegen
schwere Ausrüstungsmängel am Hindu-
kusch. Die Hälfte der geschützten Fahr-
zeuge ist zeitweise nicht einsatzbereit. Es
fehlen Piloten für Hubschrauber, Ersatz-
teile für Transportflugzeuge. Die USA for-
dern noch mehr deutsche Truppen.
Ausstellung über Essen und Reden /
Kreative Computerprogrammierer ........................ 30
Eine Meldung und ihre Geschichte – wie ein
britischer Rentner zum Breakdancer wurde .......... 31
Ortstermin:
Im hessischen Dreieich soll die
beste Schule Deutschlands entstehen .................... 46
Wirtschaft
Trends:
Bertelsmann will eine Milliarde Euro
sparen / Arcandor-Chef Eick hält Karstadt
für sanierungsfähig / Easyjet-Beschäftigte wollen
mehr Rechte .......................................................... 70
Finanzpolitik:
Hubschrauber CH-53 in Afghanistan
Weshalb Deutschland eine
Steueroase für Konzerne und Superreiche ist ....... 72
Geldanlagen:
Das Geschäft mit dem Doktor
Schlechte Geschäfte mit Fonds
aus US-Lebensversicherungen .............................. 75
Arbeitsmarkt:
Seite 112
Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen rund hundert Hochschullehrer, die für
die Betreuung von Doktoranden Geld von einer dubiosen Promotionsvermittlung
annahmen. Der mutmaßliche Verstoß gegen die Dienstpflichten zeigt, wie leichtfertig
mittlerweile akademische Grade vergeben werden – zum Beispiel an Mediziner.
Interview mit
Sozialminister Olaf Scholz über Mittel gegen
die wachsende Jugendarbeitslosigkeit ................... 76
Finanzen:
Die Wirtschaftskrise lässt die
Verschuldung der Länder dramatisch steigen ........ 78
Getränkeindustrie:
Die Bionade-Chefs machen
gegen Miteigentümer mobil .................................. 79
Ausland
Panorama:
EU-Regeln für Umgang mit
Flüchtlingen? / Washington will Peru im Kampf
gegen Drogen und Guerilla helfen /
Irans Vorgehen gegen kritische Journalisten .......... 81
Nahost:
Charlotte Roches Spiel mit der Lüge Seite 144
Seit ihrem Skandalbuch „Feuchtge-
biete“ gilt sie als Zotenkönigin: „Ich
war mal eine verbale Sau, aber ich
bin es nicht mehr“, sagt Charlotte
Roche kurz vor ihrem Start als
Moderatorin der „3 nach 9“-Talkshow.
Im SPIEGEL-Gespräch plaudert sie
über ihre Sympathie für die Lüge und
ihr Faible für Heidi Klum, ihre Ab-
neigung gegen Reinhold Beckmann
und die „Bild“-Zeitung.
Ende des Stillstands? .............................. 84
Der Bundesnachrichtendienst versucht,
einen Gefangenenaustausch zwischen Israel
und der Hamas zu vermitteln ................................ 86
Geheimdienste:
Ein CIA-Report und
seine Folgen .......................................................... 88
Der ehemalige Generalinspekteur der CIA,
John Helgerson, über seine Untersuchung der
umstrittenen Verhörmethoden .............................. 90
Libyen:
Gaddafis Schmähungen ............................ 92
Beschwerdebriefe an die KP ..................... 94
Venezuela:
Wie Hugo Chávez sich sein Land
untertan macht ...................................................... 95
Global Village:
Ein junger Russe malt in Sizilien
Fresken wie Michelangelo ................................... 100
Roche
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China:
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Biotreibstoffe gefährden die Ozonschicht /
Tierheim für Harry-Potter-Eulen ......................... 102
Fischerei:
Wie weitmaschige Netze den Kabeljau
in der Nordsee retten können .............................. 104
Geschichte:
Ein Münchner Wissenschaftler
hat die Hungersnot vor der
Französischen Revolution erforscht ..................... 106
Computer:
Was taugen die neuen
Mini-Rechner? ..................................................... 110
Korruption:
Die dubiosen Geschäfte
mit Doktortiteln ................................................... 112
Kunsthandwerk:
Die phantastischen
Mikroskulpturen aus den Wunderkammern
der Fürsten .......................................................... 114
Sport
Szene:
Radikale israelische Siedler in Hebron Obama
Nahost: Der erzwungene Aufbruch Seite 84
US-Präsident Barack Obama setzt Freunde wie Gegner unter Druck: Israel soll den
Ausbau seiner Siedlungen in den besetzten Gebieten stoppen, Europa erklärt sich
bereit, Iran mit schärferen Sanktionen zu bestrafen. Eine Chance für Kompromisse?
Rechtsanwalt Peter de Lange über
die 13-jährige Laura Dekker, die nicht allein um
die Welt segeln darf / Twitter-Fans radeln
mit Lance Armstrong ........................................... 119
Fußball:
Die windigen Millionengeschäfte
der Spielervermittler ............................................ 120
Kultur
Szene:
Ökofischer in der Nordsee
Die Archäologin Gabriele Rasbach über
den Fund eines römischen Bronzepferdekopfs in
Waldgirmes / „The Sweetest Hangover“ – das neue
Album von Miss Platnum ...................................... 124
Mythen:
Seite 104
Die Überfischung, die Zerstörung durch Schleppnetze und die Vernichtung von Bei-
fang bedrohen die Nordsee. Als erstes deutsches Unternehmen stellt ein Cuxhave-
ner Fischereibetrieb auf zertifizierten Fang um: Weitmaschige, bodenfreundliche
Netze sollen helfen, Fischbestand und Meeresgrund zu schonen.
Der ewige Traum der Kennedys ........... 126
Elke Heidenreich und
Bernd Schroeder schildern die „Alte Liebe“
eines sentimentalen Paares .................................. 130
Film:
Die Karriere des Drehbuchautors
Wolfgang Kohlhaase – ein halbes Jahrhundert
deutscher Kinogeschichte .................................... 132
Bestseller
Hohe Profite für
.......................................................... 135
Die Farborgien des
indischen Künstlerstars Ragib Shaw .................... 136
Migranten:
Spielervermittler S. 120
Die hohen Profite auf dem Transfer-
markt locken auch windige Spielerver-
mittler an, viele der Deals spielen sich
im Graubereich ab. Jüngstes Beispiel:
der Wechsel des brasilianischen Mittel-
feldstars Zé Roberto von Bayern Mün-
chen zum Hamburger SV – das Ge-
schäft lief über einen Club in Uruguay.
„Mein Abschied vom Himmel“ –
die Lebensgeschichte des
jungen Muslim Hamed Abdel-Samad .................. 138
Literaturkritik:
Peter Hennings Familienroman
„Die Ängstlichen“ ............................................... 140
Medien
Trends:
Das Schattenreich der
NDR-Fernsehspiel-Chefin Doris Heinze .............. 143
TV-Stars:
SPIEGEL-Gespräch mit der Bestseller-
Autorin Charlotte Roche über die Kehrseite
des Erfolgs und ihr Faible für Heidi Klum ........... 144
Zé Roberto
..................................................................... 6
Impressum, Leserservice
................................ 148
............................................................. 150
Personalien
Eminenz der Filmbranche
........................................................ 152
Hohlspiegel /Rückspiegel
Seite 132
Der Autor Wolfgang Kohlhaase hat
in der DDR wie in der Bundes-
republik erfolgreiche Drehbücher
zu Großstadtfilmen geschrieben.
In seinem Werk „Whisky mit
Wodka“ persifliert Kohlhaase, die
Eminenz der Filmbranche, jene
Kunst, die er am besten kennt. Das
Ergebnis: ein Film übers Filmen.
................................ 154
Titelbild:
Foto Monika Zucht für den SPIEGEL
Geständnisse
Regisseur Lars von Trier über
Sex, Depression und seinen
Gewalt-Film „Antichrist“.
Außerdem im KulturSPIE-
GEL: warum Erwachsene für
Fantasy-Filme und Jugend-
literatur schwärmen.
„Whisky mit Wodka“-Dreharbeiten
der spiegel
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Wissenschaft · Technik
Prisma:
Autoren:
Maler:
Briefe
Register
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Briefe
„Der SPIEGEL hat den Stier wieder einmal bei den
Hörnern gepackt. Ohne die führerbesoffene Mehrheit
der damaligen Deutschen, sage ich als Augen- und
Ohrenzeuge, wäre Hitler nichts als ein Semikolon am
Rande der austro-bajuwarischen Grenzgeschichte
geblieben! Natürlich ist die Kollektivschuld begrenzt
auf beteiligte Generationen, mit fließenden Alters-
grenzen und nicht übertragbar auf die Nachfahren.
Aber sie ist die allerfurchtbarste und allertraurigste
Wahrheit in der Geschichte der Deutschen.“
Der Publizist Dr. Ralph Giordano aus Köln zum Titel
„Der Krieg der Deutschen – 1939: Als ein Volk die Welt überfiel“
trägt mit seinen regelmäßig erscheinenden
Artikeln über die Zeit von 1933 bis 1945
wesentlich zur Aufarbeitung der deutschen
Kriegsschuld-Geschichte bei und ist inso-
fern ein Vorbild für andere deutsche und
ausländische (Print-)Medien, deren Be-
richterstattung über die Mitschuld ihrer
Länder an diesem grauenhaften Welten-
brand leider noch in den Kinderschuhen
steckt.
Gelterkinden (Schweiz)
Albert Augustin
SPIEGEL-Titel 35/2009
Krieg der Deutschen oder doch Krieg der
Technokraten? Wesentliche Keime der bei-
spiellosen Aggression und Entmenschli-
chung können wir auch unabhängig von
Staatsgrenzen finden, in einer bereits da-
mals globalisierten, kindlich wertefreien
Technikelite. Exzellente Beispiele sind
Henry Ford und Wernher von Braun. Ford
beteiligte sich mit seinen Lastwagen in
großem Umfang an der Aufrüstung der
Wehrmacht, nahm ebenso wie Luftpionier
Charles Lindbergh noch 1938 das Groß-
kreuz des Adlerordens entgegen.
Burscheid (Nrdrh.-Westf.)
Dr. Karl Ulrich Voss
Ängstliche, trübe Stimmung
Nr. 35/2009, Titel: Der Krieg der Deutschen – 1939:
Als ein Volk die Welt überfiel
Kriegsausbruch. „Denn wir haben ge-
glaubt, dass die Deutschen den Krieg
schnell verlieren würden.“
Berlin
Gunther Egermann
Nach einem Blick auf das SPIEGEL-Titel-
bild hatte ich einen gänzlich anderen Arti-
kel erwartet. Dort findet sich dann auch zu
Recht kaum ein Hinweis auf ein deutsches
Volk, das sich 1939 fanatisch-begeistert auf-
machte, gemeinsam mit seinem „Führer“
den Rest der Welt zu überfallen. Reichs-
tags-„Wahlen“ nach 1933 dürften dies-
bezüglich jedenfalls kaum als Stimmungs-
barometer taugen. Das Volk als solches
wollte im Spätsommer 1939 mit Sicherheit
keinen Krieg, das in Deutschland im Übri-
gen ebenso wenig wie das in Großbritan-
nien, Frankreich oder in der Sowjetunion.
Mit Ihrem Titeltext „Als ein Volk die Welt
überfiel“ suggerieren Sie aber leider das
genaue Gegenteil. Eine massenhafte naive
Kriegsbegeisterung wie 1914 zu entfachen,
die übrigens in ganz Europa herrschte, war
1939 undenkbar.
Hamburg
Appeasement hat einen schlechten Ruf,
aber allerspätestens seit dem Frühjahr
1939, eher seit dem Herbst 1938, nach
München, hat es keine Appeasement-Poli-
tik der Briten und Franzosen mehr gege-
ben. Chamberlain wird oft als Schwäch-
Der SPIEGEL befragt Herrn von Weiz-
säcker zum Tod seines Bruders Heinrich:
„Hat dieser Verlust in Ihrer Familie oder
bei Ihnen etwas im Blick auf das Regime
und seinen Krieg verändert?“ Die Antwort
des Bundespräsidenten a. D. ist auswei-
chend: „Kein Mensch, der in den Krieg
zieht, kann sich vorstellen, was er mit sich
bringt.“ Der Krieg habe jedoch sein „eige-
nes Erlebnisbewusstsein tief verändert“.
Sollte dieser Mangel an Vorstellungskraft
konstitutiv für das menschliche Wesen
sein, dann sind Kriege unvermeidbar. Das
ist beunruhigend. Ach, wie verändert man
das „Erlebnisbewusstsein“ der Menschen
in Bezug auf Krieg, ohne dass Krieg statt-
findet?
Zürich
Thomas Jacobsen
Vormarsch der Wehrmacht bei Krakau 1939
Krieg der Technokraten?
Ich war 1939 13 Jahre alt. Wenige Tage vor
Kriegsbeginn sagte mein Vater: Nun hat
der Hitler seinen Krieg. In alten Filmen
von 1914 hatten wir gesehen, wie Deutsche
in jenem Jahr, vom Krieg berauscht, die
Truppen umjubelten. 1939 nun: allgemein
ängstliche, trübe Stimmung, keinerlei Ju-
bel, weder von den durchreisenden Solda-
ten noch von den wartenden Bürgern. De-
pressive Stimmung auch bei uns jungen
Menschen. Nicht das Volk hat die Welt
überfallen, es war der „Führer“, der Mann,
der in seinem Größenwahn glaubte, Krieg
machen zu dürfen.
Einbeck (Nieders.)
ling und Zauderer gezeichnet, der er nicht
war. Im Gegensatz zu Churchill war er ein
guter Innenpolitiker, ein sehr guter Schatz-
kanzler und ein verantwortungsvoller
Mann. Nur hatte Churchill in der Beurtei-
lung einer Person, derjenigen Hitlers, eben
recht und Chamberlain lange Zeit nicht.
Hameln (Nieders.)
Robert Sinner
Dr. Ralf Magagnoli
SPIEGEL ONLINE Forum
Bei allem Respekt vor Herkunft, Werde-
gang und Alter des Bundespräsidenten
a. D. Richard von Weizsäcker, aber dass
sein Vater Ernst sich als Staatssekretär im
Dienste Hitlers auch einfach hätte verwei-
gern können – durch Rücktritt –, bleibt
wohl auf immer die moralische Perspekti-
ve der „kleinen“ Leute.
Bonn
Besten Dank für den ausgezeichneten Bei-
trag über den Kriegsbeginn. Der SPIEGEL
Siegfried Dudziak
Joachim Stadler
Diskutieren Sie auf SPIEGEL ONLINE
• Titel
Ein Überfall setzt die Unkenntnis des An-
gegriffenen voraus. Polen wusste sehr
wohl, was kommt. Mit Großbritannien und
Frankreich im Rücken fühlte man sich aber
sicher, wenn nicht überlegen. Ich darf an
der Stelle zitieren: Marcel Reich-Ranicki,
89, lebte damals in Warschau: „Wir haben
uns regelrecht nach dem Krieg gesehnt“,
sagt der Literaturkritiker über die Tage vor
Werden Krebskranke in Deutschland ausreichend
versorgt? www.spiegel.de/forum/Krebs
• Opel
Hat die Regierung sich zu früh auf den Zulieferer
Magna als Retter festgelegt? www.spiegel.de/forum/Opel
• Doktorkauf
Verfällt der Wert akademischer Titel
an deutschen Hochschulen?
www.spiegel.de/forum/Titelschwindel
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der spiegel
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Zgłoś jeśli naruszono regulamin