Das Schwarze Auge 08 - Zietsch, Uschi - Der Drachenkönig.rtf

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USCHI ZIETSCH

USCHI ZIETSCH

 

DER DRACHENKÖNIG

 

Achter Roman

aus der

aventurischen Spielewelt

 

herausgegeben

von

Ulrich Kiesow

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN


HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY

Band 06/6008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Redaktion: F. Stanya

Copyright © 1995

by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

und Schmidt Spiele + Freizeit GmbH, Eching

Printed in Germany 1995

Umschlagbild: Dieter Rottermund

Kartenentwurf (Seite 6/7): Ralf Hlawatsch

Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München

Technische Betreuung: M. Spinola

Satz: Schaber Satz- und Datentechnik, Wels

Druck und Bindung: Presse-Druck, Augsburg

 

ISBN 3-453-09493-X


Inhalt

 

 

Erster Teil: DIE DRACHENKINDER

 

1. Der Sturm 11

2. Efferds Gesandte 24

3. Der Gestrandete 41

4. Treibgut und Beute 56

5. Erste Begegnung 82

6. Ein unerwartetes Geständnis 94

 

Zweiter Teil: DER TYRANN

 

7. Der Tribut 107

8. Das Versprechen 119

9. Nach Osten 134

10. Der Gefangene 145

11. Der Drachenkönig 162

12. Ein neuer Plan 174


Erster Teil

 

 

 

DIE DRACHENKINDER


1. Kapitel

 

 

 

Der Sturm

 

 

Was wird mich dort erwarten? dachte Aigolf Thuransson bestimmt zum fünfundzwanzigsten Mal. Er stand an der Reling der Prinzessin und beobachtete einige kleinere Springwellen in der ansonsten ruhigen See. In der Ferne entdeckte er eine kleine Schule von Delphinen. Er schaute ihnen verträumt zu, wie sie mit ihren schlanken, blaugrün schimmernden Körpern aus dem Wasser herausschnellten, sonderbaren Vögeln gleich, und sich der Sonne entgegenreckten, um dann geschmeidig wieder ins Meer einzutauchen. Am vorigen Tag hatte er Swafnirs Kinder gesehen, ein Paar Grünwale, die mit ihren großen Rückenflossen in ruhiger Fahrt das Meer durchpflügt hatten. Ein Glückszeichen! hatte er zu sich gesagt, denn diese gewaltigen, bis zu vierzig Schritt langen Meeresbewohner wurden nur sehr selten gesichtet.

»Nun, Herr«, erklang die rauhe Stimme des Steuermanns auf einmal neben ihm und holte ihn in die Wirklichkeit zurück, »wir haben Kap Walstein bald umsegelt. Findet Ihr es nicht an der Zeit, uns Euer genaues Ziel zu nennen?«

Der Bornländer wandte sich zu dem Steuermann um. Er war mit seinen zwei Schritt und zwei Fingern Körperlänge um gut eineinhalb Spann größer als der untersetzte, muskulöse Mann am Ruder. Aigolfs lange rote Haare mit den zu Zöpfen geflochtenen Schläfensträhnen spielten im Wind. »Gibt es Schwierigkeiten, Trakil?« fragte er mit der ihm eigenen tiefen und ruhigen Stimme.

Der Steuermann neigte den Kopf, es war ihm unangenehm, diese grünen, manchmal seltsam leuchtenden Augen so unmittelbar auf sich gerichtet zu fühlen. »Selbstverständlich nicht«, antwortete er. »Aber wir führen keine Ware, keine Passagiere mit uns. Wir umrunden das Kap Walstein und segeln weiter in Richtung Osten. Die Mannschaft möchte gern wissen, worauf sie sich einlässt.«

»Die Mannschaft wird von mir bezahlt«, erwiderte Aigolf. Er strich sich bedächtig über den dichten roten Vollbart, in dem hier und da ein paar silberne Fäden aufblitzten. Auch die Enden des langen Oberlippenbartes hatte er zu dünnen Zöpfen geflochten. »Es gibt keinen Grund zur Klage. Ich bin der Kapitän und bestimme den Kurs. Alles andere hat weder dich noch irgendeinen Matrosen zu kümmern. Darüber haben wir vor dem Ablegen gesprochen, ebenso darüber, was mit demjenigen geschieht, der sich plötzlich unzufrieden zeigt.«

Trakil nickte schwerfällig. »Er wird kielgeholt. Ja, das weiß ich alles. Jedoch sind wir alle zusammen sicherlich lange Zeit auf See, und da sollte man doch...«

»Kein Kapitän und noch weniger ein Schiffseigner verbrüdert sich mit seiner Mannschaft«, unterbrach ihn Aigolf unwirsch. »Für die gute Heuer, die ich euch bot, kann ich Gehorsam verlangen. Geh an die Arbeit!« Er wandte sich wieder der Reling und dem Meer zu.

Der Steuermann wollte noch etwas hinzufügen, überlegte es sich aber anders: Der Eigner wurde schnell wütend, und Trakil wollte wegen einer unbedachten Bemerkung nicht der Befehlsverweigerung angeklagt und kielgeholt werden. Missmutig kehrte er zu den anderen zurück, die ihn schon gespannt erwarteten. »Nichts«, konnte er nur melden.

»Bei Swafnir, was hat er vor?« schnaubte daraufhin der Erste Maat. »Den ganzen Tag steht er nur da und schaut übers Meer, wie wenn er nich ganz richtig im Kopf wär.«

»Woher hatte er überhaupt das Geld, die Prinzessin zu ersteigern?« fragte eine Matrosin. »Er is doch kein Adeliger oder 'n Kaufmann, der's zu Wohlstand gebracht hat. Nich mal so ein geheimnisvolles... Ding brachte er an Bord, das es wert wäre, so 'ne Fahrt zu unternehmen. Er kam nur mit seinem wenigen Zeugs an Bord, ließ sofort ohne viel Brimborium die Anker lichten und treibt uns seither immer weiter nach Osten...«

Trakil hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, ich kann's nicht mal vermuten. Ich weiß nur, dass er 'n Krieger ist, das sieht man daran, wie er sich bewegt: alles nur Sehnen und Muskeln, und nicht zu vergessen die Waffen. Aber was macht'n Krieger auf hoher See?«

»Vielleicht ist er auf Fahrt gegangen für seine Dame, die in Not ist...«, vermutete das Schiffsmädchen, dessen Herz noch jung genug war für Romantik. »Entweder muss er sie befreien oder unter Einsatz seines Lebens etwas finden, was sie retten kann...«

Die anderen lachten schallend.

»Kleine, du verstehst es doch immer wieder, die Stimmung zu heben«, prustete Trakil. »Sei's drum, Leute, unsere Arbeit muss getan werden. Der Eigner bezahlt uns, und er gibt uns ausreichend zu essen und zu trinken. Ausgepeitscht wurde auch noch keiner. Demnach haben wir keinen Grund, gegen ihn zu meutern. Tun wir also unsere Pflicht, irgendwann wird er uns aufklären müssen.«

 

Aigolf war sich natürlich darüber im klaren, dass hinter seinem Rücken über ihn geredet wurde. Er konnte es ja selbst kaum glauben, wie nahe er plötzlich seinem sehnlichen Wunsch gekommen war, mit einem Schiff in unbekannte Länder Deres zu segeln. Er war von Neersand aus gen Osten aufgebrochen, um die Schwefelklippen und die Gebeinküste entlang zu segeln, irgendwann das Schiff zu verlassen und dann das unbekannte Land jenseits der aventurischen Gefilde zu erwandern. Von den Ländern hinter dem Ehernen Schwert an Bornlands Ostgrenze waren manche benannt worden, wie ›Ödlandt‹ und ›Riesland‹, und manche Binnenmeere trugen Namen wie das ›Totenwasser‹ und das ›Meer der Schatten‹. Doch diese Bezeichnungen rührten mehr von Legenden, Gerüchten und Erdichtetem her. Wirklich dort gewesen und zurückgekommen war vermutlich noch niemand. Die Küste zog sich bis weit in den Süden hinab und verlief sich dort zwischen dem Perlen- und dem Nebelmeer in einem Labyrinth von Inseln, ähnlich den Waldinseln hinter Altoum, nur größer als jene. So war es auf den alten Karten zu sehen, wenngleich noch keines Menschen Fuß diese Inseln je betreten haben mochte. Irgendwo auf halbem Weg zwischen den Inseln und dem Ehernen Schwert wollte Aigolf von Bord gehen. Die Prinzessin musste er dann zurückschicken, denn ihm war klar, dass ihn keiner begleiten und dass niemand auf ihn warten würde. Das kümmerte ihn auch nicht weiter, denn er ging nicht davon aus, dass er in seinem Leben noch einmal nach Aventurien zurückkehren würde. Dafür lag eine allzu weite Reise vor ihm.

Ein stilles Lächeln huschte über seine sonst so ernsten, markant geschnittenen Züge. Wenn er seinem zwergischen Freund Dorgan, Sohn des Digen, seine Pläne unterbreitet hätte, so hätte dieser vermutlich alles stehen- und liegengelassen und wäre mitgekommen. Aber Dorgan hatte eine Familie zu versorgen, und der Bergkönig hielt große Stücke auf ihn.

Aigolf hatte diese Fahrt von Anfang an allein geplant. Die Erfüllung seines größten Wunsches gehörte nur ihm allein. Niemand konnte je wirklich daran teilhaben. Er fühlte sich dennoch nicht einsam, die meiste Zeit seines Lebens hatte er allein auf Abenteuern verbracht. Gewiss, er hatte Freunde und Familienangehörige, aber jeder ging seiner eigenen Wege. Dem Krieger lag nichts an Sesshaftigkeit oder einer festen Bindung, dergleichen brachte nur Sorgen mit sich. Sein ruheloser Geist war ständig auf der Suche nach etwas Neuem, Unerwarteten. In dieser Hinsicht hatte er nie aufgehört ein Kind zu sein und zu träumen.

Das Bornland hatte er, nachdem er von der anstehenden Versteigerung der Prinzessin erfahren hatte, zum ersten Mal seit mehr als zwanzig Jahren wieder betreten. Er hatte sich jedoch nicht den Hauch der Rührseligkeit gestattet und sich eigens, um keiner Versuchung zu erliegen, in Mendena eingeschifft und war erst an seinem Ziel Neersand wieder an Land gegangen.

Damit will ich abgeschlossen haben, dachte er. Er hob den Kopf, zog sogleich fröstelnd die Schultern zusammen, da sich der Wind plötzlich gedreht hatte und eine frische gischtnasse Bö mit sich brachte. Am Himmel trieben die Wolken geschwind dahin. Schatten und das licht der schwächer werdenden Sonne wechselten rasch und mühelos wie in einem Spiel.

»He, Trakil«, rief Aigolf zum Vorderdeck, »was hat diese Brise zu bedeuten?«

»Kann ich noch nich sagen, Kapitän«, lautete die Antwort. »Bin hier noch nich so oft gesegelt, genauer gesagt, überhaupt noch nich, aber's is bekannt, dass es ums Kap Walstein herum schon mal ordentlich bläst.«

»Wird uns die Gegenströmung Schwierigkeiten bereiten?«

»Kommt drauf an, was der genaue Kurs is. In die Flammberger Bucht reinzukommen, is sicherlich kein gemütlicher Ausritt mit 'nem eleganten Zelter, wenn ich das mal so sagen darf.«

Aigolf nickte. Vielleicht wurde es wirklich Zeit, die Mannschaft über sein Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Die Leute machten im großen und ganzen einen ordentlichen Eindruck, und da sie um das Kap nun schon fast herum waren, würde der Rückweg schwierig werden.

»Ruf die Mannschaft zusammen«, befahl er. »Ich möchte ihr etwas sagen.«

Die Matrosen und Matrosinnen ließen natürlich nicht lange auf sich warten, dazu waren sie viel zu neugierig. Vermutungen schwirrten durch ihre Köpfe, auf welch wichtiger Fahrt sie unterwegs waren, möglicherweise im geheimen Auftrag Ihrer Hoheit, der Adelsmarschallin selbst. Aigolf Thuransson hatte sich die ganzen Tage über so schweigsam und zurückgezogen verhalten, dass alle Möglichkeiten offenstanden.

»Ich brauche nicht viel Worte«, sprach der Kapitän in die atemlose Stille, die ihn umgab. »Wir sind auf dem Weg nach Osten, bis zu den letzten bekannten Ausläufern der Gebeinküste. Dort werdet ihr mich an Land setzen und den Heimweg ohne mich antreten. Wenn ihr eure Sache gut macht, dürftet ihr dabei keine Schwierigkeiten bekommen. Ihr werdet von mir ein Dokument erhalten, in dem ich Trakil das Kommando übergebe und euch allen die Prinzessin übereigne. Damit könnt ihr, wenn ihr weiterhin zusammenhaltet, einen kleinen Handel aufbauen. Natürlich könnt ihr das Schiff auch verkaufen und den Gewinn aufteilen. Das liegt ganz bei euch. Doch bis zu meinem Ziel untersteht ihr ausschließlich meinem Befehl, und ihr erhaltet das Dokument auch erst nach der Landung. Das wäre alles.«

Die Mannschaftsleute waren so verblüfft, dass ihnen der Mund offenstand. »Das... das ist doch nich Euer Ernst«, stotterte Trakil dann. »Ihr wisst doch, dass noch keiner aus dem Osten zurückgekehrt is!«

»Dann werdet ihr eben die ersten sein«, erwiderte Aigolf gelassen. »Ich sehe keinen Grund, der dagegen spricht. Das Meer wird weiterhin das Meer sein, und wenn wir der Küste nicht allzu fern bleiben, dürften auch Stürme keine große Rolle spielen. Und sollte der Wind einmal gegen uns sein, haben wir immer noch die Möglichkeit, zu kreuzen und irgendwo vor Anker zu gehen, um neue Vorräte aufzunehmen. Keinesfalls ist es eine Fahrt ins Ungewisse - zumindest nicht für euch. Bei mir ist das etwas anderes, aber ich gehe ja auch allein.«

»Bei allem Respekt, Herr, aber das erscheint mir reichlich... gewagt...«, stieß der Steuermann hervor. Verrückt hatte er eigentlich sagen wollen.

Aigolf seufzte hörbar. »Es war mir klar, dass ich nur mit feigen Memmen rede, denn eine bessere Mannschaft konnte ich mir nicht leisten. Also schön, kehren wir um. Ich werde im Kapitänshaus erzählen, dass ihr nicht für größere Fahrten angeheuert werden solltet, weil euch das zu gefährlich ist. Ein wenig Kreuzen im Golf von Perricum oder in der Bucht von Al'Anfa, das ist das Richtige für euch.«

Er grinste unwillkürlich, als ein aufgeregtes Gemurmel einsetzte und finstere Blicke zum Steuermann hin geworfen wurden.

»Augenblick mal!« schrie der Erste Maat. »Das haben wir doch nie behauptet! Wir sind weder feige, noch scheuen wir das Risiko! Trakil wollte Euch doch nur auf die möglichen Gefahren hinweisen, da Ihr...«

»Was?« unterbrach ihn Aigolf scharf. »Da ich keine Erfahrung habe auf See, ist es das? Nur weil ich der Eigner bin und dem Steuermann die Arbeit überlasse? Hör zu, du Süßwassermakrele, ich bin schon als Kapitän zur See gefahren, als du noch nicht einmal laufen konntest! Aber ich bin zugleich der Eigentümer der Prinzessin, und daher sehe ich keine Veranlassung, die gesamte Arbeit allein zu verrichten! Oder wollt ihr eure Feigheit jetzt auch noch hinter eurer Faulheit verstecken? Trakil! Setz mein Schiff auf Gegenkurs, zurück nach Neersand. Dort heure ich eine Mannschaft an, die es wert ist, Efferds Heilige Gefilde zu befahren! Doch glaubt nicht, dass ihr auch nur einen Kreuzer dafür erhaltet!« Daraufhin drehte er sich um und verschwand mit eiligen Schritten in seiner Kajüte unter Deck.

Die Mannschaft blieb betroffen und erschrocken zurück, bald setzte eine lebhafte Diskussion ein über die Schande, wenn sie umkehrten, die verlorene Heuer, über Meuterei und alles mögliche. Schließlich machte sich Trakil auf den Weg zur Kapitänskajüte und klopfte an die Tür. Nachdem ein schroffes »Herein!« erklungen war, trat er zögernd ein.

Aigolf wandte sich von seinen Karten, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte, zu ihm um. »Nun?«

»Wir sind keine Hasen, Herr«, sagte Trakil. »Wenn's erlaubt ist, wir würden den Kurs gern beibehalten. Und es war auch ganz bestimmt keine Meuterei, wir haben doch nur gemeint...«

»Wenn ihr euch einig seid, soll's mir recht sein«, winkte Aigolf barsch ab. »Ich bin nicht nachtragend - diesmal. Das nächste Mal setze ich euch alle in einem Beiboot aus, verlasst euch drauf. Ich denke auch, dass der Gedanke an das Dokument, das ich euch versprochen habe, euren Willen beflügelt hat. In Zukunft erwarte ich aber, dass du deine Männer und Frauen im Griff hast, Trakil. Das ist alles.« Er nickte dem Steuermann zu und wandte sich wieder den Karten zu.

Zufrieden nickte er noch einmal, als er die Tür leise klicken hörte. Die Mannschaft würde nun spuren. Gewiss, die Prinzessin war nur ein kleiner Segler und nach den vielen Jahren nicht mehr besonders gut in Schuss, aber sie war ein gutes Schiff, das herzurichten sich lohnen würde. Aigolf kannte die Prinzessin noch heute besser, als es die Mannschaft je tun würde, von damals, aus einer glücklicheren Zeit. Der Aufwand, dieses Schiff in die Hand zu bekommen, war kein geringer gewesen - aber die Prinzessin war die Mühe ohne Zweifel wert. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Aigolf sich zufrieden, er genoss es, fast den ganzen Tag an der Reling zu stehen, das Meer, das Schiff und die arbeitenden Männer zu betrachten.

 

Ruhe und Frieden waren jedoch mit einem Schlag vorbei, als ein Sturm losbrach. Die ganze Nacht über hatte der Wind stetig zugenommen, und das Meer war unruhig geworden. Das Schiff schaukelte zunächst ohne Schwierigkeiten über die Wogen hinweg, aber gegen Morgen wurde der Wind zu einem tosenden Sturm, Aigolf stand mühsam auf und kämpfte sich an Deck. Sein Magen war einiges gewohnt, aber das ruckartige Auf und Ab machte ihm unter Deck doch mehr zu schaffen, als ihm lieb war.

Draußen herrschte ein seltsames Zwielicht es war weder ganz dunkel noch wirklich hell. Alles, was Aigolf noch erkennen konnte, waren Schatten und Umrisse. Der Himmel donnerte und krachte über ihm. Blitze zuckten in rascher Folge über die gewaltig aufgetürmten Wolken und färbten sie gelb.

»Was tut ihr da?« schrie Aigolf über das Brausen des Sturms hinweg seinen Leuten zu. Mit knapper Not fand er einen Halt, als eben ein hoher Brecher über das Schiff schlug, das sich bedenklich zur Seite neigte, sich dann jedoch tapfer wieder aufrichtete. Aigolf schnappte nach Luft - er war bis auf die Knochen nass - und stieß einen derben Fluch aus.

»Willst du das Schiff zum Kentern bringen, Trakil?« brüllte er. »Dreh sofort bei!«

»Dann kommen wir aber völlig vom Kurs ab«, schrie der Steuermann zurück, »und wir wissen nich, wohin's uns abtreibt!«

»Du abergläubischer Hund, tu gefälligst, was ich sage!« donnerte Aigolf. »Es ist doch vollkommen unwichtig, wohin es uns treibt, solange wir nicht kentern.«

»Die Prinzessin wird nich kentern!«

»Nein, sie wird zerbrechen, du Narr! Sie ist nicht dafür gebaut worden, gegen Efferds Zorn zu kämpfen, sondern ihm zu folgen. Sie ist ein Wellenreiter, ist dir das nie bewusst geworden? Dreh bei und lass sie ihren Kurs selbst suchen, sie wird sich an die Wellen wie an einen Geliebten schmiegen, du wirst sehen!«

Der Steuermann befolgte widerwillig den Befehl, er widersprach allem, was er gelernt hatte, und doch war es jetzt nicht an der Zeit, sich gegen den Eigner aufzulehnen. Der Sturm steigerte sich zum Taifun, der das schmale Schiff wie eine Spindel herumwirbelte und über die sich immer höher auftürmenden Wogen stieß. Mehr als ein Mann schrie auf, als die Prinzessin einen Wellenkamm hinauftanzte, den Bugspriet fast zornig dem Wirbelwind entgegenstreckte, bevor sie in rasender Fahrt in das Wellental hinunterstürzte. Im Unterdeck war ein lautes Krachen zu hören. Aigolf sah einen Matrosen an sich vorüberstürzen, griff nach dem Unglücklichen und erwischte ihn mit knapper Not am Fußgelenk. Gebannt starrte der Kapitän in eine Wasserwand hinein, die rasend schnell näher kam, und erwartete schon das Eintauchen, das das Schiff unweigerlich in tausend Teile zerschmettern musste. Doch kurz vor dem tödlichen Einschlag schnitt die Prinzessin eine Gegenwelle an und warf sich herum.

Festhalten, Luft anhalten, dachte Aigolf, während er den Matrosen näher zu sich heranzog und ihm Halt bot. Das Brüllen des Sturms verschluckte jedes Wort und jeden Schrei.

Das Schiff glitt quer in das Tal hinein, und für einen Moment herrschte tödliche Stille, als sich die Woge über der Prinzessin wölbte und den Sturm für zwei Herzschläge ausschloss. Der kleine Segler schien ein Eigenleben zu entwickeln, er raste mit unglaublicher Geschwindigkeit durch das Tal hindurch, um dem Zusammenbrechen der Fluten zu entgehen. Fast wäre es ihm gelungen, der Bug hob sich bereits wieder dem Sturm entgegen, als die Welle zusammenbrach. Diesmal übertönten die Schreie der Männer und das kreischende Bersten von Holz den Taifun. Die Backbordseite tauchte nahezu gänzlich im Meer unter, und die tobende See überspülte das gesamte Deck mit einer wahren Sintflut von Gischt, Tang und Schiffstrümmern. Und doch war die Prinzessin noch lange nicht gebrochen, sie richtete sich stolz wieder auf, entkam mit knapper Not der tödlichen Falle und glitt in eine ruhigere Zone des Taifuns hinein.

Für einen Augenblick konnten Schiff und Besatzung Atem holen.

»Bei allen Seedämonen......

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