Papa Charly Hat Gesagt.doc

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„Papa, Charly hat gesagt"

„Papa, Charly hat gesagt"

Sohn: Papa, Charly hat gesagt, seine Schwester hat gesagt, die meisten Eltern wissen gar nicht, was sie wollen ...

Vater abgelenkt: So - und das beunruhigt Charlys Schwester...

Sohn: Ja. Sie sagt, die Eltern wissen einfach nicht, wie sie ihre Kinder haben wollen!

Vater lacht kurz auf: Sie wissen schon sehr genau, wie sie ihre Kinder haben wollen. Sie wissen nur nicht immer, wie sie das erreichen können; weil die lieben Kleinen bekanntlich von einer Trotzphase in die andere fallen!

Sohn beharrlich: Sie können sowieso nichts erreichen, weil sie ja immerzu was anderes wollen.

Vater: Wer will immerzu was anderes? Das sind ja wohl die Kinder und nicht die Eltern, oder?

Sohn: Jetzt machst du aber Retourkutsche, Papa!

Vater: Sei nicht schon wieder so unverschämt. Das ist keine Retourkutsche, ich stelle nur etwas richtig. Du willst doch auch alle Augenblicke etwas anderes.

Sohn: Wieso denn?

Vater: Das frage ich mich allerdings auch ...

Sohn: Sag doch mal ein Beispiel!

Vater: Da gibt's so viele Beispiele ... da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll ... zum Beispiel ... na, zum Beispiel dieser riesige graue Pullover, den du letzten Winter unbedingt haben musstest!

Sohn: Ja und? Der war doch sehr schön.

Vater: Schön teuer vor allen Dingen. Und ziehst du ihn vielleicht jetzt noch an? Sohn: Werd ich schon wieder anziehen. Bloß -der ist ja noch größer geworden, nach jeder Wäsche.

Vater: Das hat Mama dir ja gleich prophezeit.

Aber du musstest ihn ja unbedingt gleich drei Nummern zu groß haben!

Sohn: Die hatten eben alle solche großen Pullover in der Klasse ...

Vater: Das habe ich gern, alles haben wollen, was die ändern haben, und alles machen, was die ändern machen! Du sollst nicht in irgendeiner grauen Pullovermasse untergehen, sondern sollst dich von den ändern unterscheiden!

Sohn: Das sagst du jetzt. Und sonst redest du ganz anders.

Vater: Wann rede ich ganz anders?!

Sohn: Als ich mich neulich zu Uwes Geburtstag nicht fein anziehen wollte, da hast du gesagt, alle Kinder ziehen sich zum Geburtstag fein an und ich muss das auch machen.

Vater: Es gibt eben nun einmal gewisse Übereinkünfte im Leben der Menschen. Man kann nicht bei jeder Gelegenheit aus der Reihe tanzen, das ist ja wohl einsehbar.

Sohn: Und wie soll ich das machen?

Vater: Was?

Sohn: Nicht aus der Reihe tanzen und mich von den ändern unterscheiden?

Vater: Herrgott, du sollst das ja nicht gleichzeitig machen, sondern je nach Lage der Dinge!

Sohn: Und wie soll ich wissen, wie die Lage der Dinge ist?

Vater: Dafür wirst du mit der Zeit schon ein Gefühl bekommen.

Sohn: Ich hab ja immer ein Gefühl, was ich machen muss. Aber dir passt das dann meistens nicht.

Vater: Wenn es mir nicht passt, dann wird es eben nicht passend gewesen sein.

Der Sohn muffelt. Kleine Pause.

Sohn neuer Anlauf: Charly sagt, seine Schwester sagt, die Eltern denken wahrscheinlich, ihr Kind ist ein Chamäleon.

Vater: Weil es immer die Farbe von dem Dreck annimmt, in dem es gerade sitzt? ' Sohn betont: Weil sie denken, es kann immerzu anders sein. Mal so, mal so. Deshalb.

Vater: Kannst du das etwas verdeutlichen, bitte?

Sohn: Zum Beispiel sagen die Eltern ihrem Kind immer, es soll gehorchen und soll den Mund halten und machen, was man sagt, und so was alles...

Vater: Und Charlys Schwester hätte es natürlich gern, wenn die Kinder ihren Eltern auf der Nase herumtanzen dürften'.

Sohn: Gar nicht. Aber wenn das Kind dann mit anderen Kindern zusammen ist, aufm Spielplatz oder so, dann ärgert es die Eltern, wenn es bloß so doof rumsteht. Dann sagen sie: „Lass dir doch nicht alles gefallen'." - „Wehr dich doch!" - „Sag doch, was du willst!" ...

Vater: Das ist doch wohl ganz logisch! Zu Hause geben die Eltern dem Kind vernünftige Anweisungen und die soll es natürlich befolgen. Aber draußen ist es dann allen möglichen negativen Einflüssen ausgesetzt, da muss es lernen sich zu behaupten.

Sohn: Das kann es aber nicht, wenn es das noch nie durfte.

Vater: Das wird es schon lernen. Das haben wir alle gelernt.

Sohn: Komm mal mit auf den Spielplatz! Da kannst du sehen, wie manche Kinder immer von allen geärgert werden und nicht wissen, was sie machen sollen!                               Vater: Es gibt immer Schwache und Starke.

Sohn: Von Anfang an? Schon als Babys?

Vater ausweichend: Vermutlich.

Sohn: Kann ich mir nicht vorstellen.

Vater: Es wird einige Dinge geben, die du dir nicht vorstellen kannst. - Und jetzt würde ich gern meine Post durchsehen. Oder kannst du dir das auch nicht vorstellen?

Sohn: Ist sowieso bloß alles Reklame. Ich hab schongeguckt.

Vater: Was hast du denn in meiner Post herumzuschnüffeln?!

Sohn: Jetzt sagst du „schnüffeln“ Und als letzte Woche der Brief aus Amerika kam, da hast du gesagt, das hätte ich mir doch denken können, dass das was Wichtiges ist, und da hätte ich dich gleich im Büro anrufen müssen!

Vater: Jaja, schon gut, das war eine Ausnahme.

Sohn in Fahrt gekommen: Mal sagst du, ich soll mitdenken und meinen Kopf gebrauchen, und dann sagst du wieder, ich soll das Denken den Pferden überlassen!

Vater: Wenn du denkst, kommt ja auch meistens eine mittlere Katastrophe dabei heraus ...

Sohn: Meinst du schon wieder die Bratwürstchen?! Das weißt du doch, dass das bloß kam, weil ihr mir nicht gesagt habt, dass die Gartenparty abgeblasen ist! Und Mama hat extra noch gesagt, wenn wir die Würstchen nicht rechtzeitig aus dem Froster nehmen, dann können wir sie nicht grillen, und ich -

Vater: Ja, ich weiß... Sie waren ja nun auch wunderbar aufgetaut ... alle sechzig. Und nun lass uns bitte das Thema wechseln, ja? Für die nächsten zwei Jahre möchte ich das Wort „Würstchen" nicht mehr hören.

Sohn beleidigt: Na schön, denke ich eben überhaupt nicht mehr! Und an den Reserveschlüssel auch nicht!

Vater: Nun komm! Da haben wir dich doch alle genug gelobt, dass du den Reserveschlüssel dabei hattest, als Mama die Autoschlüssel im Wald verloren hatte...

Sohn: Du hattest sie verloren. Mama hat gesagt, sie hat sie dir gegeben.

Vater: Da bin ich nach wie vor anderer Meinung, wie du weißt! Jedenfalls ... im Prinzip sollst du natürlich selbstständig denken. Vor allem, was deine eigenen Angelegenheiten angeht. Bei deinen Schularbeiten zum Beispiel wäre es sehr

wünschenswert, wenn du völlig selbstständig denken und arbeiten würdest! Sohn: Mach ich ja! Bei meinem letzten Hausaufsatz hab ich dich nichts gefragt. Da hast du gar nichts von gemerkt.

Vater: So? Hat Mama ihn denn wenigstens durchgelesen und die Fehler korrigiert? Sohn: Nein, hab ich alles allein gemacht. Wir sollten uns von den Eltern auch nicht helfen lassen.

Vater: Ja)a, aber wenn man schon mal Eltern hat, die die deutsche Sprache beherrschen, dann kann man das auch nutzen. Nun, wir werden ja sehen, was dabei herausgekommen ist. Wie hieß denn das Thema?

Sohn: „Wenn Mutter verreist ist."

Vater misstrauisch: „Wenn Mutter verreist ist"... ?

Sohn: Ja. Da hatte ich Glück, weil doch Mama gerade 'ne Woche weg war.

Vater: Willst du damit sagen, dass du geschildert hast, wie wir hier gewirtschaftet haben ... ?

Sohn: Ja klar!

Vater: Vielleicht auch von dem angebrannten Gemüse und der überschwemmten Küche?!

Sohn arglos, eifrig: Ja, und wie wir den Staubsaugerschlauch am falschen Ende reingesteckt haben und der den ganzen Dreck rausgepustet hat Und von deinem Herrenabend und wie Dr. Weber mit der Sektflasche rumgespritzt

und-

Vater: Wo ist dieser Aufsatz?! Den will ich sofort sehen!

Sohn: Hab ich doch längst abgegeben!

Vater: Das war das letzte Mal, dass du einen Aufsatz abgibst, ohne dass ich ihn vorher gesehen habe, verstanden?! Das ist ja unglaublich, was du dir rausnimmst! Was hast du dir dabei eigentlich gedacht, wie?!

Sohn wütend: Ich hab gedacht, dass ich selbständig denken und arbeiten soll!

(Selbstständigkeit mit kleinen Ausnahmen. In: „ Charly hat gesagt ..." Band 4. Rowohlt Verlag: Re 1980, S. 72-77)

 

 

 

 

Aufgaben:

 

 

1.     Um welche Probleme geht es im Dialog zwischen Vater und Sohn?

2.     Welche Thesen formulieren Sohn und Vater in dem Gespräch ?

3.     Überprüfen Sie die im Gespräch angeführten Beispiele auf die Schlüssigkeit der Argumentation!

4.     Wer hat die besseren Argumente? Vater oder Sohn?

5.     Analysieren Sie das Gespräch, die Verständigung zwischen Vater und Sohn, indem Sie die Gesprächsführung einzelner Abschnitte untersuchen!

6.     Verdeutlichen Sie den Zusammenhang zwischen intentionaler und funktionaler Erziehung am Beispiel dieses Dialogs / dieser Erziehungssituation!

7.     Charakterisieren Sie die Einstellung des Vaters zum Thema Erziehung! Welche Vorstellung zu Erziehung wird deutlich?

               

 

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