Dämonenland 007 - Wolfgang Hohlbein - Der Achtbeinige Tod.pdf

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Wolfgang Hohlbein
Der achtbeinige Tod
Welche Schrecken, welches Grauen schafft der Mensch
sich selbst? Es müssen nicht immer Vampire oder Werwölfe
sein – auch aus Unvernunft und Rüstungswahn gedeihen
Katastrophen, die dem fiktiven Horror in nichts nachstehen.
Der bekannte und preisgekrönte Autor Wolfgang Hohlbein
hat sich bereits vor 9 Jahren dieses Themas angenommen.
In einem seiner ersten Horror-Romane schildert er die
schrecklichen Folgen eines Satellitenabsturzes im
südamerikanischen Dschungel. Ein Satellit freilich, der eine
ganz besondere Fracht trägt: den Stoff, aus dem die
Alpträume sind!
Ein Roman erwartet Sie, nach dem Sie Spinnen mit ganz
anderen Augen sehen werden ...
Ihr DÄMONEN-LAND Redakteur
Dieser Roman erschien erstmals
als Gespenster-Krimi Nr. 46
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»Dort!«
Fernando Perez deutete mit ausgestrecktem Arm auf das
wogende Grün, das den Talboden bedeckte, und reichte den
Feldstecher an seinen Nebenmann weiter.
»Sie sehen den Fluß?«
Rodrigez nickte wortlos. Der Feldstecher verlieh seinem
Gesicht einen eulenhaften Ausdruck, und die Uniform, die in
großen, dunklen Flecken an Brust und Rücken klebte, schien
ihm um mehrere Nummern zu groß zu sein.
Als er den Feldstecher absetzte, konnte Perez sehen, daß er
tiefe Ringe unter den Augen hatte. Sein Gesicht wirkte
eingefallen und blaß, als wäre er seit Tagen auf den Beinen und
vollkommen übermüdet. Aber Perez wußte, daß Rodrigez alles
andere als müde oder unaufmerksam war; den großen, dunklen
Augen entging nichts, und obwohl seine Bewegungen langsam
und mühevoll wirkten, spürte der Hauptmann die Energie, die
in der ausgemergelten Gestalt des Geheimdienstmannes
schlummerte.
Er hatte Rodrigez erst an diesem Morgen kennengelernt.
Aber die Geschichten, die sich um ihn rankten, waren Legion.
Perez hatte sich schon vor langer Zeit angewöhnt, nur die
Hälfte von dem zu glauben, was man ihm erzählte. Aber selbst
dieser Rest reichte aus, um ihm Respekt vor seinem Gegenüber
einzuflößen.
»Und Sie sind vollkommen sicher, daß sie dort unten sind?«
fragte Rodrigez. Seine Stimme klang dünn und schien in der
hitzegeschwängerten Luft zu versickern.
Perez hob die Achseln.
»Sicher ... Was heißt schon sicher? Wenn meine
Informationen stimmen ... «
»Was sind das für Informationen?« schnappte Rodrigez.
Perez lächelte flüchtig.
»Sie haben die Berichte nicht gelesen?«
»Doch.«
Rodrigez nickte ungerührt und setzte den Feldstecher erneut
an.
»Aber ich möchte es gerne aus Ihrem Mund hören,
Hauptmann. Papier ist geduldig, und ich verlasse mich nicht
sehr gerne auf Geschriebenes. Sie verstehen?«
Er gab Perez das Fernglas zurück, starrte einen Moment lang
aus zusammengekniffenen Augen zu Boden und wischte sich
den Schweiß von der Stirn.
»Verdammt heiß heute.«
Perez schluckte seinen Ärger herunter. Man hatte ihn vor
Rodrigez gewarnt. Der Mann war aalglatt.
Und er war gefährlich. Perez hatte vor Rodrigez erst ein oder
zwei Männer des Geheimdienstes kennengelernt, aber sie
schienen alle dem gleichen Typ anzugehören: ruhig,
überlegend und scheinbar harmlos, aber mit der Mentalität
einer Schlange ausgestattet, die ohne Warnung zustoßen
konnte. Aber wahrscheinlich mußte man so sein, wenn man in
diesem Job Karriere machen wollte.
»Ein Indio aus den Bergen«, knurrte er schließlich. »Ich habe
selbst nicht mit ihm gesprochen, wenn Sie das wissen wollen.
Aber nach allem, was ich gehört habe, muß er ziemlich
überzeugend geklungen haben.«
Rodrigez lächelte kalt. »Und deshalb setzen Sie ihre gesamte
Einheit in Marsch?«
»Sie sind ja auch hier!« schnappte Perez. Der Ausbruch tat
ihm fast im gleichen Moment schon wieder leid, aber Rodrigez
schien den aggressiven Ton gar nicht zur Kenntnis zu nehmen.
In seinem Gesicht rührte sich kein Muskel.
»Entschuldigung«, murmelte Perez.
Rodrigez winkte ab. »Schon in Ordnung, Hauptmann. Ich
verstehe Sie. Die Hitze ... «
Er legte den Kopf in den Nacken und blinzelte den grellen
Ball der Sonne an, der am höchsten Punkt seiner Bahn
angelangt war und die Erde mit seiner Glut versengte.
Die Soldaten hatten sich in die Schatten ihrer Fahrzeuge
zurückgezogen oder lümmelten auf ihren Posten herum.
Unvorschriftmäßige Strohhüte zierten ihre Köpfe; einige hatten
sich primitive Kopfbedeckungen aus Papier gefaltet oder
feuchte Taschentücher über die Stahlhelme gezogen. Perez
verübelte es ihnen nicht. Er selbst hätte sich am liebsten die
Uniform vom Leib gerissen und wäre kopfüber in die Fluten
des Flusses gestürzt, der unter ihnen durch den Dschungel
schnitt. Aber natürlich ging das nicht.
Jedenfalls nicht, solange Rodrigez hier war.
»Also«, fuhr der Geheimdienstmann nach einer Weile fort.
»Wie war das?«
»Ausführlich – oder die Kurzversion?«
Rodrigez grinste, aber die Geste hatte kaum etwas mit einem
menschlichen Lächeln gemein. »Ausführlich, wenn es geht.«
Perez nickte grimmig. »Wie Sie wollen. Aber lassen Sie uns
hier aus der Sonne verschwinden. Ich habe eine Flasche
Cognac in meinem Zelt. Dabei läßt es sich besser reden.«
Rodrigez zögerte einen Augenblick, und Perez befürchtete
schon fast, zu weit gegangen zu sein. Er rechnete beinahe
damit, jetzt einen Vortrag über die Vorschriften bezüglich
Alkohol im Dienst zu hören zu bekommen, aber der
Geheimdienstmann nickte bloß und trat einen Schritt beiseite.
»Bitte. Gehen Sie voraus.«
Das Feldlager war auf der Kuppe eines steilen, felsigen
Hügels errichtet worden. Die fünfundsiebzig Soldaten, aus
denen Perez’ Einheit bestand, hatten ihre niedrigen Zwei-
Mann-Zelte zwischen den Felsen aufgeschlagen; kleine, graue
Gebilde, die sich schutzsuchend in die kärglichen Schatten
drängten. Dazwischen standen die drei Armeelaster und der
Panzerwagen, der zur technischen Ausrüstung der kleinen
Kompanie gehörte. Seine Kanone war fleckig und verrostet.
Das Zwillingsrohr deutete drohend auf den nahen Waldrand,
aber Perez wußte, wie wenig ihnen dieses moderne Kriegsgerät
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