Albert Einstein & Sigmund Freud - Warum Krieg.pdf

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Albert Einstein Sigmund Freud
Albert Einstein Sigmund Freud
Warum Krieg ?
Mit einem Essay von Isaac Asimov
Der Verlag dankt für die Erteilung der Rechte:
The Hebrew University of Jerusalem,
New York, für den Brief Albert Einsteins
und den - hier als Vorwort erschienenen - Auszug
eines Interviews, das George Sylvester Viereck
aufgezeichnet hat (aus: >Einstein on Peace<, Simon
and Schuster, New York); dem S. Fischer Verlag,
Frankfurt a. M., für den Brief Sigmund Freuds
(aus: Sigmund Freud, >Gesammelte Werkes
Band xvi); dem Spiegel-Verlag, Hamburg,
für Isaac Asimov, >Die gute Erde stirbt<
(aus: >Der Spiegels Nr. 21/1971)
Umschlagillustration: Pablo Picasso,
Plakat für den >Congres mondial des partisans
de la paixs 1949 (Ausschnitt) Copyright © ProLitteris 1996, Zürich
Veröffentlicht als
Kleines Diogenes Taschenbuch, 1996 Alle Rechte für diese Ausgabe vorbehalten
Copyright G 1972
Diogenes Verlag AG Zürich
500/96/51/1
ISBN 3 257 70044 X
Scanned by Becket
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Inhalt
Albert Einstein
Für einen militanten Pazifismus
Albert Einstein An Sigmund Freud
Sigmund Freud An Albert Einstein
Isaac Asimov
Die gute Erde stirbt
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Albert Einstein
Für einen militanten Pazifismus
Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig
verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder -traditionen zu
machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen
von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges
missbraucht werden. Ich bin der gleichen Meinung wie der große Amerikaner Benjamin
Franklin, der sagte: es hat niemals einen guten Krieg und niemals einen schlechten Frieden
gegeben.
Ich bin nicht nur Pazifist, ich bin militanter Pazifist. Ich will für den Frieden kämpfen. Nichts
wird Kriege abschaffen, wenn nicht die Menschen selbst den Kriegsdienst verweigern. Um
große Ideale wird zunächst von einer aggressiven Minderheit gekämpft. Ist es nicht besser, für
eine Sache zu sterben, an die man glaubt, wie an den Frieden, als für eine Sache zu leiden, an
die man nicht glaubt, wie an den Krieg? Jeder Krieg fügt ein weiteres Glied an die Kette des
Übels, die den Fortschritt der Menschlichkeit verhindert. Doch eine Handvoll
Wehrdienstverweigerer kann den allgemeinen Protest gegen den Krieg dramatisieren.
Die Massen sind niemals kriegslüstern, solange sie nicht durch Propaganda vergiftet werden.
Wir müssen sie gegen Propaganda immunisieren. Wir müssen unsere Kinder gegen Mili-
tarismus impfen, indem wir sie im Geiste des Pazifismus erziehen. Der Jammer mit Europa
ist, dass die Völker mit falschen Zielen erzogen worden sind. Unsere Schulbücher
verherrlichen den Krieg und unterschlagen seine Gräuel. Sie indoktrinieren die Kinder mit
Hass. Ich will lieber Frieden lehren als Hass, lieber Liebe als Krieg.
Die Schulbücher müssen neu geschrieben werden. Statt uralte Konflikte und Vorurteile zu
verewigen, soll ein neuer Geist unser Erziehungssystem erfüllen. Unsere Erziehung beginnt in
der Wiege: die Mütter der ganzen Welt haben die Verantwortung, ihre Kinder im Sinne der
Friedenserhaltung zu erziehen.
Es wird nicht möglich sein, die kriegerischen Instinkte in einer einzigen Generation
auszurotten. Es wäre nicht einmal wünschenswert, sie gänzlich auszurotten. Die Menschen
müssen weiterhin kämpfen, aber nur, wofür zu kämpfen lohnt: und das sind nicht imaginäre
Grenzen, Rassenvorurteile oder Bereicherungsgelüste, die sich die Fahne des Patriotismus
umhängen. Unsere Waffen seien Waffen des Geistes, nicht Panzer und Geschosse.
Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den
Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg
verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert
haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben
zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern.
Wir müssen uns stellen, für die Sache des Friedens die gleichen Opfer zu bringen, die wir
widerstandslos für die Sache des Krieges gebracht haben. Es gibt nichts, das mir wichtiger ist
und mir mehr am Herzen hegt.
Was ich sonst mache oder sage, kann die Struktur des Universums nicht ändern. Aber
vielleicht kann meine Stimme der größten Sache dienen: Eintracht unter den Menschen und
Friede auf Erden.
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Albert Einstein An Sigmund Freud
Caputh, bei Potsdam, 30. Juli 1932.
Lieber Herr Freud!
Ich bin glücklich darüber, dass ich durch die Anregung des Völkerbundes und seines
Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit in Paris, in freiem Meinungsaustausch
mit einer Person meiner Wahl ein frei gewähltes Problem zu erörtern, eine einzigartige
Gelegenheit erhalte, mich mit Ihnen über diejenige Frage zu unterhalten, die mir beim
gegenwärtigen Stande der Dinge als die wichtigste der Zivilisation erscheint: Gibt es einen
Weg, die Menschen von dem Verhängnis des Krieges zu befreien? Die Einsicht, dass diese
Frage durch die Fortschritte der Technik zu einer Existenzfrage für die zivilisierte Menschheit
geworden ist, ist ziemlich allgemein durchgedrungen, und trotzdem sind die heißen
Bemühungen um ihre Lösung bisher in erschreckendem Maße gescheitert.
Ich glaube, dass auch unter den mit diesem Problem praktisch und beruflich beschäftigten
Menschen, aus einem gewissen Gefühl der Ohnmacht heraus, der Wunsch lebendig ist,
Personen um ihre Auffassung des Problems zu befragen, die durch ihre gewohnte wis-
senschaftliche Tätigkeit zu allen Fragendes Lebens eine weitgehende Distanz gewonnen
haben. Was mich selber betrifft, so liefert nur die gewohnte Richtung meines Denkens keine
Einblicke in die Tiefen des menschlichen Wollens und Fühlens, so dass ich bei dem hier
versuchten Meinungsaustausch nicht viel mehr tun kann, als versuchen, die Fragestellung
herauszuarbeiten und durch Vorwegnahme der mehr äußerlichen Lösungsversuche Ihnen
Gelegenheit zu geben, die Frage vom Standpunkte Ihrer vertieften Kenntnis des menschlichen
Trieblebens aus zu beleuchten. Ich vertraue darauf, dass Sie auf Wege der Erziehung werden
hinweisen können, die auf einem gewissermaßen unpolitischen Wege psychologische
Hindernisse zu beseitigen imstande sind, welche der psychologisch Ungeübte wohl ahnt,
deren Zusammenhänge und Wandelbarkeit er aber nicht zu beurteilen vermag.
Weil ich selber ein von Affekten nationaler Natur freier Mensch bin, erscheint mir die äußere
beziehungsweise organisatorische Seite des Problems einfach: die Staaten scharfen eine legis-
lative und gerichtliche Behörde zur Schlichtung aller zwischen ihnen entstehenden Konflikte.
Sie verpflichten sich, sich den von der legislativen Behörde aufgestellten Gesetzen zu unter-
werfen, das Gericht in allen Streitfällen anzurufen, sich seinen Entscheidungen bedingungslos
zu beugen sowie alle diejenigen Maßnahmen durchzuführen, welche das Gericht für die
Realisierung seiner Entscheidungen für notwendig erachtet. Hier schon stoße ich auf die erste
Schwierigkeit: Ein Gericht ist eine menschliche Einrichtung, die um so mehr geneigt sein
dürfte, ihre Entscheidungen außerrechtlichen Einflüssen zugänglich zu machen, je weniger
Macht ihr zur Verfügung steht, ihre Entscheidungen durchzusetzen. Es ist eine Tatsache, mit
der man rechnen muss: Recht und Macht sind unzertrennlich verbunden, und die Sprüche
eines Rechtsorgans nähern sich um so mehr dem Gerechtigkeitsideal der Gemeinschaft, in
deren Namen und Interesse Recht gesprochen wird, je mehr Machtmittel diese Gemeinschaft
aufbringen kann, um die Respektierung ihres Gerechtigkeitsideals zu erzwingen. Wir sind
aber zur Zeit weit davon entfernt, eine überstaatliche Organisation zu besitzen, die ihrem
Gericht unbestreitbare Autorität zu verleihen und der Exekution seiner Erkenntnisse absoluten
Gehorsam zu erzwingen imstande wäre. So drängt sich mir die erste Feststellung auf: Der
Weg zur internationalen Sicherheit führt über den bedingungslosen Verzicht der Staaten auf
einen Teil ihrer Handlungsfreiheit beziehungsweise Souveränität, und es dürfte
unbezweifelbar sein, dass es einen ändern Weg zu dieser Sicherheit nicht gibt.
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Ein Blick auf die Erfolglosigkeit der zweifellos ernst gemeinten Bemühungen der letzten
Jahrzehnte, dieses Ziel zu erreichen, lässt jeden deutlich fühlen, dass mächtige psychologische
Kräfte am Werke sind, die diese Bemühungen paralysieren. Einige dieser Kräfte liegen offen
zutage. Das Machtbedürfnis der jeweils herrschenden Schicht eines Staates widersetzt sich
einer Einschränkung der Hoheitsrechte desselben. Dieses politische Machtbedürfnis wird
häufig genährt aus einem materiell-ökonomisch sich äußernden Machtstreben einer ändern
Schicht. Ich denke hier vornehmlich an die innerhalb jedes Volkes vorhandene kleine, aber
entschlossene, sozialen Erwägungen und Hemmungen unzugängliche Gruppe jener
Menschen, denen Krieg, Waffenherstellung und -handel nichts als eine Gelegenheit sind,
persönliche Vorteile zu ziehen, den persönlichen Machtbereich zu erweitern.
Diese einfache Feststellung bedeutet aber nur einen ersten Schritt m der Erkenntnis der
Zusammenhänge. Es erhebt sich sofort die Frage: Wie ist es möglich, dass die soeben
genannte Minderheit die Masse des Volkes ihren Gelüsten dienstbar machen kann, die durch
einen Krieg nur zu leiden und zu verlieren hat. (Wenn ich von der Masse des Volkes spreche,
so schließe ich aus ihr diejenigen nicht aus, die als Soldaten aller Grade den Krieg zum Beruf
gemacht haben, in der Überzeugung, dass sie der Verteidigung der höchsten Güter ihres
Volkes dienen und dass manchmal die beste Verteidigung der Angriff ist.) Hier scheint die
nächst-liegende Antwort zu sein: Die Minderheit der jeweils Herrschenden hat vor allem die
Schule, die Presse und meistens auch die religiösen Organisationen in ihrer Hand. Durch diese
Mittel beherrscht und leitet sie die Gefühle der großen Masse und macht diese zu ihrem
willenlosen Werkzeuge.
Aber auch diese Antwort erschöpft nicht den ganzen Zusammenhang, denn es erhebt sich die
Frage: Wie ist es möglich, dass sich die Masse durch die genannten Mittel bis zur Raserei und
Selbstaufopferung entflammen lässt? Die Antwort kann nur sein: Im Menschen lebt ein
Bedürfnis zu hassen und zu vernichten. Diese Anlage ist in gewöhnlichen Zeiten latent
vorhanden und tritt dann nur beim Abnormalen zutage; sie kann aber leicht geweckt und zur
Massenpsychose gesteigert werden. Hier scheint das tiefste Problem des ganzen
verhängnisvollen Wirkungskomplexes zu stecken. Hier ist die Stelle, die nur der große
Kenner der menschlichen Triebe beleuchten kann. Dies führt auf eine letzte Frage: Gibt es
eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten, dass sie den
Psychosen des Hasses und des Vernichtens gegenüber widerstandsfähiger werden? Ich denke
dabei keineswegs nur an die sogenannten Ungebildeten. Nach meinen Lebenserfahrungen ist
es vielmehr die sogenannte >Intelligenz<, welche den verhängnisvollen Massensuggestionen
am leichtesten unterliegt, weil sie nicht unmittelbar aus dem Erleben zu schöpfen pflegt,
sondern auf dem Wege über das bedruckte Papier am bequemsten und vollständigsten zu
erfassen ist. Zum Schluss noch eins: Ich habe bisher nur vom Krieg zwischen Staaten, also
von sogenannten internationalen Konflikten gesprochen. Ich bin mir dessen bewusst, dass die
menschliche Aggressivität sich auch m anderen Formen und unter anderen Bedingungen
betätigt (z. B. Bürgerkrieg, früher aus religiösen, heute aus sozialen Ursachen heraus,
Verfolgung von nationalen Minderheiten). Ich habe aber bewusst die repräsentativste und un-
heilvollste, weil zügelloseste Form des Konfliktes unter menschlichen Gemeinschaften
hervorgehoben, weil sich an ihr vielleicht am ehesten demonstrieren lässt, wie sich
kriegerische Konflikte vermeiden ließen.
Ich weiß, dass Sie in Ihren Schriften auf alle mit dem uns interessierenden, drängenden
Problem zusammenhängenden Fragen teils direkt, teils indirekt geantwortet haben. Es wird
aber von großem Nutzen sein, wenn Sie das Problem der Befriedung der Welt im Lichte Ihrer
neuen Erkenntnisse besonders darstellen, da von einer solchen Darstellung fruchtbare
Bemühungen ausgehen können.
Freundlichst grüßt Sie
Ihr A. Einstein.
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