Ritter Roland - 30 - Ekkehart Reinke - Die Schlacht um Camelot.pdf

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Die Schlacht um
Camelot
von Ekkehart Reinke
scanned by : horseman
kleser: Larentia
Version 1.0
Der Posten am niedergebrannten Wachfeuer spähte
angestrengt in den Morgennebel. Er weckte seine
schlafenden Kumpane. »Da kommen zwei!« warnte er.
Die Männer sprangen auf, griffen zu ihren Spießen und
starrten in die weißen Schwaden, aus denen sich zwei
Gestalten auf derben Bauernpferden lösten.
Der größere Reiter hatte struppiges braunes Haar. Von
seinem Gesicht war nichts zu erkennen. Es wurde von
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einer schwarzen Maske verdeckt.
Als sie auf 20 Schritte heran waren, schrie der Posten:
»Halt! Wer da?«
Die beiden Reiter ließen sich nicht beirren. Sie kamen
immer näher. Der kleinere, der schmächtig in den
Schultern, aber mächtig in der Leibesmitte war, zog sein
Schwert und stach es steil in die Luft. Einige Strahlen, die
in diesem Augenblick als Vorhut der Sonne durch den
Nebel schossen, ließen die Spitze der Klinge rot erglühen.
»Platz für den schwarzen Ritter!« schrie der Dicke. »Wer
den Weg nicht freigibt, der stirbt!«
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Die Posten rührten sich nicht. Ihr Wortführer entgegnete: »Wir sind
geboren, um zu sterben.«
»Und der schwarze Ritter«, schrie der Dicke vom Pferd herab, »ist
geboren, um zu siegen!«
Diese Antwort verblüffte die Posten über die Maßen. Unschlüssig
ließen sie die Spieße sinken und rückten etwas auseinander. Sie
gehörten zu dem Aufgebot des Hauptmannes Leo, das sich »der
verlorene Haufen« nannte und tatsächlich als Wahlspruch das Wort
»Geboren, um zu sterben« auf seinen Fahnen geschrieben hatte.
Ihr Hauptmann, dem sie bedingungslos die Treue hielten, war ein
tollkühner Haudegen. Er stand im Solde von Haggan, dem
Gräßlichen, dem Erzfeind des Königs Artus. Nachdem Roland von
der Bildfläche verschwunden war, machte sich Haggan daran, nach
Camelot zu ziehen, um das Schloß zu erobern, Artus vom Thron zu
stoßen und sich selber die Königskrone aufs Haupt zu setzen.
Hauptmann Leos verlorener Haufen bildete seine Vorhut.
Der dicke Reiter fuchtelte ungeduldig mit dem Schwert. »Steht
nicht da wie die Säulenheiligen! Los, führt uns zu eurem
Hauptmann! Der schwarze Ritter will in seine Dienste treten. Der
schwarze Ritter ist nicht gewöhnt zu warten. Er ist ein großer
Krieger. Hauptmann Leo wird vor Freude überwältigt sein.«
Die Posten berieten sich flüsternd. Nach einer Weile kamen sie zu
einem Entschluß. »Folgt mir!« forderte einer die beiden Fremden auf
und schritt voran. Die Reiter schlossen sich an. Nach einer halben
Meile über verschneite Fußpfade, an kahlem Gehölz vorbei,
erreichten sie ein verwahrlostes Gemäuer. Hier hatte mal eine Burg
entstehen sollen. Aber während der Bauarbeiten waren dem Ritter
die Dukaten ausgegangen, und der Baumeister war unter lauten
Schmähungen auf und davongeritten.
Hauptmann Leos Haufen lagerte zwischen halbfertigen Mauern.
Die Männer saßen um einen riesigen, verbeulten Kessel, der über
einem freistehenden Herd hing, und schlürften die Morgensuppe.
Aller Augen hingen an der schwarzen Maske des größeren,
schlanken, aber kräftig gebauten Ritters. Der Dicke wiederholte mit
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lauter, etwas schriller Stimme sein Anliegen.
Hauptmann Leo erhob sich. Er war ein hagerer Bursche mit einem
von vielen Narben verwüsteten bräunlichen Gesicht. Der Blick, mit
dem er den Dicken maß, war voll Verachtung. Es war deutlich zu
sehen, daß er keineswegs von Freude überwältigt war. Als er sprach,
war es, als krächze ein gewaltiger Rabe, so heiser war seine Stimme.
»Warum läßt der schwarze Ritter dich reden?« fragte er lauernd.
»Warum spricht er nicht selber?«
»Er ist stumm, Hauptmann«, lautete die rasche Antwort. »Von
Geburt an. Er kann dich verstehen. Aber sprechen kann er nur durch
meinen Mund. - Ich lese ihm die Worte von den Lippen. Das ist eine
große Kunst.«
Mit offenem Munde starrten die Kumpane des verlorenen Haufens
die beiden Reiter an.
»Aber warum zeigt er uns sein Gesicht nicht?«
Der Dicke senkte den Blick, schlug drei Kreuze und schaute dann
mit wehleidiger Miene in den nebelverhangenen Himmel. »Das ist
eine traurige Geschichte, Hauptmann Leo«, antwortete er schließlich.
»Sie betrifft König Artus. Dieser Herrscher, den Gott verderben
möge, hat den schwarzen Ritter zutiefst gekränkt. Er erhob plötzlich
Anspruch auf ein Dorf, das dem schwarzen Ritter gehörte, zeigte
gefälschte Besitzurkunden vor und ließ den rechtmäßigen Herrn
verjagen. »Artus, der sogenannte König von Camelot, ist der größte
Halunke, der je über die Erde wandelte«, sagte Leo mit Überzeugung
und spie aus, um seine abgrundtiefe Verachtung vor dem Genannten
zu bezeigen. Versehentlich spuckte er in den Suppenkessel, was
seine hungrigen Männer nicht im mindesten störte. Sie bedienten
sich fleißig weiter daraus.
»Ich freue mich, daß du die Ansicht des schwarzen Ritters teilst,
Hauptmann«, sagte der Dicke. »Du bist also einverstanden, daß er in
deine Dienste tritt. Er möchte mit dir als erster in Camelot eindringen
und persönlich Artus den Todesstoß versetzen.«
»Wenn er das will«, krächzte Leo, »soll er die Maske abnehmen
und sein Gesicht zeigen.«
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