Geister Krimi - 063 - Der Geist des Verräters.rtf

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Der Geist des Verräters

Der Geist des Verräters

 

Roman von Gill McBain

 

Da war es wieder!

Genevienne Rillot schlug die Augen auf und lauschte mit verhaltenem Atem. Sie hatte das Geräusch zum zweiten Mal gehört. Zunächst hatte es sie nur für Sekunden aus ihrem leichten Schlaf gerissen, sie aber eigentlich mehr ärgerlich als ängstlich gestimmt. Sie war wieder eingenickt.

Nun aber kam es lauter, eindringlicher.

Es war direkt über ihr. Dumpfes Rumpeln und Poltern, das von einem tobenden oder sich wälzenden Menschen hätte herrühren können. Hätte. Doch das Merkwürdige war, daß Genevienne sich in einem Zimmer im obersten Stockwerk des Hotels »Cicogne« befand und sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wer oder was sich über ihr auf dem Flachdach bewegte.

Eine Katze? Dafür waren die Laute zu heftig. Es mußte sich um etwas Größeres handeln.

Als Stöhnen das Poltern zu begleiten begann, richtete sie sich entsetzt in ihrem Bett auf. Genevienne zog die Decke bis ans Kinn hoch. Sie konnte ihr Frösteln nicht unterdrücken. Sie hatte Angst. Blanke Angst.

Das Stöhnen klang abscheulich, schien einen unerklärlichen Nachhall zu besitzen. Plötzlich ebbte es zu einem Wimmern ab und verwandelte sich in wütendes Hundebellen. Dabei blieb ständig dieses Poltern, das die Nerven der Frau bis zum Zerreißen spannte. Allmählich zeichnete sich auch noch ein weiteres Geräusch ab leises Klirren.

Das, was dort oben auf dem Dach war, begann nun zu fauchen. Das kann doch kein Mensch sein, schoß es Genevienne durch den Kopf.

Sie hielt es nicht mehr aus, mußte jetzt zur Bettkante rutschen und Licht anmachen. Das Rumpeln wurde immer stärker.

Die Nachttischlampe verbreitete angenehmen gelblichen Schein im Zimmer. Genevienne Rillot blickte nach oben. Dann schrie sie auf. Schockiert preßte sie eine Faust gegen ihren Mund.

Die Zimmerdecke hob und senkte sich. Sie beulte sich förmlich aus unter dem Unerklärlichen, das auf dem Dach vor sich ging. Jäh lief ein feiner Riß durch den Verputz, und die große Lampe begann, sich aus ihrer Verankerung zu lösen. Sie war es, die das Klirren verursachte.

»Nein«, flüsterte Genevienne.

Wo ist Jacques? trommelte es in ihrem Gehirn, warum hat er mein Schreien nicht gehört?

Sie sprang aus dem Bett, raffte ihr bodenlanges Nachthemd mit einer Hand und begann zu laufen. Über ihr wackelte die Decke, als wäre sie aus Gummi. Die Zimmerlampe hing jetzt praktisch nur noch an ihren Drähten und mußte jeden Augenblick auf den Boden fallen, krachend in die Brüche gehen.

Genevienne stürzte.

Schluchzend rappelte sie sich vom Teppich auf und setzte ihren Fluchtweg zur Tür fort. Mit bebenden Fingern riß sie die Klinke herunter. Sie drängte sich in den nächsten Raum. Es war das Badezimmer, das zu der Suite gehörte.

Genevienne knipste Licht an. Sie wagte es kaum, auch hier zur Decke zu schauen. Doch die scheußliche Überraschung blieb aus. Im Bad war alles ruhig. Kein Poltern, kein Stöhnen keine Decke, die wie verrückt tanzte. Die Frau lehnte sich aufatmend gegen die Wand.

Die Geräusche, die aus dem Schlafzimmer drangen, trieben sie wieder weiter. Sie hastete an der Badewanne vorüber, erreichte die nächste Verbindungstür. Sekunden später stand sie in dem dunklen Salon der Zimmerflucht.

Nur an der Fensterfront brannte ein Licht: eine Kerze, wie sie bei genauerem Hinsehen feststellte. Der rötliche Schein leuchtete auf gespenstische Weise das Gesicht des Mannes aus, des Mannes, mit dem Genevienne gestern in dieses Hotel gezogen war. Jacques Previn saß aufrecht. Seine Haltung war starr. Er war ein gutaussehender Mann mit gepflegtem schwarzen Vollbart aber in diesem Moment schienen seine sonst so gleichmäßigen Züge durch seine Beobachtung oder Erkenntnis verzerrt. Unablässig bewegten sich seine Lippen, doch von dem, was er sagte, war nichts zu hören.

»Jacques«, stieß Genevienne aus. »Jacques, um Himmels willen -«

Er warf den Kopf herum und starrte sie an. Sie lief auf ihn zu. Als sie sich gegen seinen Körper drängte, bemerkte sie, daß er schwitzte. Für einen Moment war sie fassungslos, denn seine Augen hatten einen weltfremden Ausdruck, den sie an ihm nie bemerkt hatte.

»Du hast alles zerstört«, murmelte er. »Es hat mich Jahre gekostet, zu diesem Ergebnis zu gelangen.«

Sie strich mit der Hand über seine Stirn. »Ich verstehe nicht, was du meinst, Liebling. Aber sag mal, hast du mich nicht rufen hören? Ich habe geschrien, weil ich fürchterliche Angst hatte!«

»Angst?«

»Du hast es also nicht gehört?«

»Nein«, erwiderte er tonlos, »ich war von jeder diesseitigen Wahrnehmung weit entfernt. Ich befand mich in anderen Regionen, die mit dem Bewußtsein nicht zu erreichen sind. Willst du mir jetzt endlich erklären, was los ist?«

Sie sagte es ihm.

Sein Gesicht nahm einen verwirrten Ausdruck an. »Sehen wir nach, Genevienne. Los, komm!« Als sie zögerte, ergriff er ihre Hand und zog sie hinter sich her. Eilig durchquerte er den Salon, betrat das Bad und näherte sich der Verbindungstür zum Schlafzimmer.

» Ich will nicht«, rief die Frau, »lass mich hier bleiben, Jacques!«

»Es ist alles vorüber«, sagte er ruhig und machte die Tür auf.

Zu Geneviennes Erstaunen hatte das Poltern aufgehört. Ebenso das Stöhnen, Bellen und Fauchen. Und die Zimmerdecke bewegte sich nicht mehr, Sie war heil bis auf den feinen Riß, der sich bis zur Lampe zog. Die Lampe pendelte hin und her. Sie machte den Eindruck, als müßte sie jeden Augenblick aus ihrer letzten, lächerlichen Halterung reißen und zu Boden stürzen.

»Da siehst du, daß es keine Einbildung oder ein böser Traum war«, sagte Genevienne. »Jacques, lass uns auf dem Dach nachsehen. Ich habe keine Ruhe, bevor ich nicht ganz sicher bin, daß dort oben niemand mehr herumspukt. Vielleicht hat sich jemand einen dummen Scherz erlauben wollen. Es wäre gut, dem Kerl nachzuspüren und ihm gründlich die Meinung zu sagen.«

Jacques Previn betrachtete seine Geliebte. Sie war das, was man eine schöne Frau nannte. Glattes braunes Haar rahmte ihr Gesicht, dessen Ebenmäßigkeit vollendet schien: große dunkle Augen, eine gut profilierte Nase, ein voller und sinnlicher Mund, weiche, makellos reine Haut. Genevienne besaß einen wunderbar geformten Körper vielleicht etwas zu breite Hüften und ein wenig zu kurze Beine, kleine Makel jedoch, die sie durch ausgesuchte Kleidung ausglich. Er hatte sie in Rom kennen gelernt, in Rom, der Ewigen Stadt.

»Hör mir gut zu«, begann er, »ich habe keine Sekunde vermutet, daß deine Wahrnehmung dir einen Streich gespielt hat. Ich selbst habe denjenigen gerufen, der sich auf dem Dach niedergelassen hat. Es war ein Geist, Genevienne.«

»Sag das noch mal!«

»Du hast richtig verstanden. Ich habe ihn dem Jenseits entlockt, um ihn zu befragen und ihn sich möglicherweise materialisieren zu lassen. Er muß sehr gelitten haben. Da du mich in der Meditation unterbrochen hast, habe ich die Verbindung verloren, und er hat sofort die Rückreise angetreten.«

Sie lächelte plötzlich. »Fängst du wie er damit an, Liebling? Bitte, halte mir jetzt keinen Vortrag über Okkultismus. Ich finde, wir haben genügend darüber diskutiert.«

»Du glaubst auch jetzt nicht an übersinnliche Erscheinungen?«

»Nein.«

»Du wirst es nie begreifen, daß die Parapsychologie eine ernstzunehmende

Wissenschaft ist.« Er hob die Schultern. »Im Grunde ist das schade. Es ist das einzige Thema, bei dem unsere Auffassungen auseinander gehen

Sie trat auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Schultern. Dann küsste sie ihn. »Jacques, nimm es mir nicht übel. Ich halte Geisterbeschwörung und ähnliches Zeug für Humbug. Wir leben doch im zwanzigsten Jahrhundert.«

»Und die Geräusche auf dem Dach?«

»Irgendein Kerl hat mir einen Schrecken einjagen wollen. Vielleicht ein Verrückter. Es gibt Voyeure und andere sexuell Verirrte.«

»Aber die Decke, Genevienne«, gab er zu bedenken, »wie konnte sie sich biegen?«

Sie lachte und biss sich leicht auf die Unterlippe. »Weißt du, das muß am Material liegen. Anders kann ich es mir nicht erklären. Jacques, bitte schau nach bitte!«

»Gut«, meinte er. Dann grinste er und fügte hinzu: »Dein Wunsch sei mir Befehl. Letzten Endes finde ich es sogar besser, daß du so nüchtern denkst. Du bist der Gegenpol, an dem ich meine Überzeugung immer wieder prüfen und ausfeilen kann.«

»Wie spät ist es?« wollte sie wissen. »Gleich zehn Uhr.«

»Jacques, ich ziehe mich jetzt an. Vorerst kann ich doch nicht wieder schlafen Was hältst du davon, wenn wir runtergehen und in der Bar einen Drink nehmen?«

»Viel.« Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare. »Bei der Gelegenheit sage ich gleich dem Portier, daß er morgen früh die Lampe in Ordnung bringen lassen soll.« Er öffnete seinen Bademantel und zog ihn aus, um ihn mit dem Anzug zu vertauschen.

Genevienne Rillot ging ins Bad. Du hoffnungsloser Narr, dachte sie.

 

 

*

 

Jacques Previn hatte sich mit einer Taschenlampe bewaffnet und war auf das Dach gestiegen, um wenigstens den Anschein zu erwecken, daß er Geneviennes Wunsch erfüllen wollte. Er hatte niemanden entdeckt. Für ein paar Minuten war er neben der Dachluke stehen geblieben und hatte die klare Nachtluft eingesogen, hatte versucht, die Konzentration wieder zu finden.

Sinnlos. Er war ins Obergeschoß zurückgekehrt, ohne neuen Kontakt mit dem Geist gefunden zu haben.

Jetzt stand er vor der Fahrstuhltür und drückte den Knopf. Der Leuchttafelanzeiger verkündete, daß der Lift vom ersten Stock heraufkam. Previn befand sich m vierten.

Die Tür glitt auf. In Gedanken versunken betrat der Mann mit dem Vollbart den Fahrkorb. Außer ihm befanden sich bereits zwei Männer im Fahrstuhl.

Merkwürdigerweise stiegen sie nicht aus.

Previn musterte sie kühl und sagte: »Ich fahre ins Erdgeschoß. Wohin wollen sie?«

Der eine nickte bedächtig und sagte: »Wir auch. Es geht abwärts.«

Der Vollbärtige drückte den Knopf, auf dem P wie Parterre stand. Die Außentür schob sich zu, dann auch die des Fahrkorbes. Zu spät begriff er, daß die Antwort dieses Fremden einen verhängnisvollen Doppelsinn beinhaltete. Er drehte sich um und erstarrte.

Der Sprecher hatte eine Pistole auf ihn gerichtet. Eine MAB-Automatik mit Schalldämpfer, wie Previn als alter Waffenkenner feststellte.

»Was soll der Unsinn?« fragte Jacques gelassen, obwohl ihm beileibe nicht wohl zumute war. »Wenn Sie Geld haben wollen, brauchen Sie nicht mit der Zimmerflak aufzufahren.«

»Halt die Kiste an«, wandte sich der Kerl unbeirrt an seinen Begleiter, »wir sind genau zwischen dem dritten und zweiten, Franco.«

»Gut, Teilhard«, gab der andere zurück. Er drückte den roten Halteknopf. Es gab einen Ruck, und der Fahrkorb stand still.

In Previns Kopf jagten sich die Gedanken. Das aufkeimende Panikgefühl versuchte er damit zu unterdrücken, daß er sich ausmalte, wie er sich am besten zur Wehr setzen konnte. Viele Möglichkeiten gab es da nicht. Er stand zwei hart aussehenden Burschen gegenüber. Teilhard hatte die Pistole. Eine falsche Bewegung, und der Kerl spickte ihn mit Blei. Niemand würde es hören, wenn er in diesem verflixten Lift starb.

Sie blickten ihn an. Franco war jünger als Teilhard, etwa Mitte Zwanzig ein dunkler Typ mit dreistem Puttengesicht. Er grinste gemein. Dem Namen nach konnte er ein Korse seih. Teilhard, der Mann mit der MAB, hatte ein breites Gesicht, ziemlich lange Koteletten und einen kleinen, schmallippigen Mund. Beide trugen Hosen und Jacketts, die ihnen äußerlich ein harmloses Wesen bescheinigten.

Previn kannte sie nicht, hatte sie nie gesehen. Eben deshalb war er so arglos in den Fahrstuhl gestiegen.

»So«, sagte Teilhard gerade genüßlich, »jetzt zeig ihm mal, was wir wirklich von ihm wollen, Franco.«

»Previn, du Schwein!« zischte Franco und hieb zu.

Der Mann mit dem Vollbart hatte keine Gelegenheit, sich darüber zu wundern, daß sie seinen Namen kannten. Er duckte sich und blockte Francos gemeinen Schlag ab. Statt in den Unterleib traf ihn die Faust gegen den Oberschenkel.

Previn nahm seine Chance augenblicklich wahr. Franco stand jetzt zwischen ihm und Teilhard. Wenn Teilhard mit der Schalldämpferpistole schießen wollte, mußte er zwangsläufig zunächst seinen Komplicen niederstrecken, ehe er an den Gegner kam.

Jacques Previn riß den rechten Ellenbogen hoch. Franco bekam ihn genau unter das Brustbein. Das tat weh, höllisch weh. Der Korse stöhnte dementsprechend. Ehe er sich richtig zur Wehr setzen konnte, setzte Previn nach und knallte ihm die linke Faust gegen den Unterkiefer. Der Bursche wurde wie von einer unsichtbaren Hand hochgerissen und prallte gegen den fluchenden Teilhard.

Der Fahrkorb wackelte bedrohlich.

Unerbittlich hieb der Mann mit dem Vollbart weiter auf Franco ein. Der Kerl rutschte ab, Teilhards Kopf wurde frei. Wieder ergriff Previn die einzigartige Gelegenheit beim Schopf und schlug auch auf den Kerl mit der Pistole ein.

Er hatte Erfolg. Teilhard, an der Schläfe getroffen, begann zu wimmern.

Blitzschnell drückte Jacques auf den Knopf »Parterre«. Der Lift setzte sich wieder in Bewegung. Unten würde er stoppen, die Türen würden automatisch aufgehen...

Schon glaubte er, die Auseinandersetzung für sich entschieden zu haben da geschah das Unerwartete. Franco hatte längst nicht genug abbekommen. Er war härter im Nehmen, als er wirkte. Ganz plötzlich warf er sich nach vorn und packte Previns Beine.

Der Mann mit dem Vollbart verlor das Gleichgewicht. Sein Oberkörper ruckte nach vorn. Jetzt hatte sich auch Teilhard wieder gefangen und erwartete ihn mit verzerrtem Gesicht. Er hob die MAB, um den Kolben auf Jacques Schädel herabsausen zu lassen.

Verzweifelt packte Previn den Kerl an den Jackettaufschlägen. Er wollte ihn zu Boden reißen. Aber Teilhard war Schneller. Mit einem Fluch schlug er zu, zweimal.

Previn spürte den Schmerz durch seinen Schädel branden, fühlte, wie er sich bis in den Oberkörper fortpflanzte.

Schwarze und rote Schleier wallten vor seinen Augen. Er versuchte, sich irgendwo festzuhalten, fand jedoch nirgends Halt und schlug zu Boden.

Seine Bewusstlosigkeit war nur von kurzer Dauer.

Jemand trat mit dem Schuh gegen seine Hüfte. Es tat irrsinnig weh. Previn ächzte und schlug die Augen auf.

Teilhard stieß noch einmal mit der Schuhspitze in seine Seite, dann lehnte er sich gegen die Wand des Fahrkorbes und verschränkte die Arme. Die MAB hielt er dabei immer noch in der Faust.

»So, Previn«, sagte er gedehnt, »wir haben wieder gehalten.«

Franco stand an der Schalttafel und grinste wieder hässlich. Mittlerweile hatte er sich die Kleidung glatt gestrichen und die Haare geordnet. Bis auf einen roten Streifen am Unterkiefer sah man ihm nicht an, daß er sich geschlagen hatte. Ähnlich Teilhard: er hatte lediglich einen blauen Fleck in Schläfennähe.

»Steh auf und mach dich sauber«, forderte Teilhard den in der Ecke hockenden Previn auf. »Du sollst einen ordentlichen Eindruck machen, wenn wir dich durch die Halle führen. Keiner soll sehen, daß wir dir einen kleinen Vorgeschmack von dem geliefert haben, was dich erwartet.«

»Wer seid ihr? Was wollt ihr?«

»Eine dämliche Frage, Previn. Wir bringen dich weg, weil wir mit dir zu reden haben. Ich warne dich: Noch so eine Schweinerei wie eben, dann drücke ich ab.«

»Warum erledigst du es nicht, Teilhard?« reizte der Mann mit dem Vollbart den Kerl. »Ich kenne dich nicht, aber ich ahne, was du vorhast. Glaubst du, ein Mann, dem der Tod droht, würde nicht alles Erdenkliche versuchen, um sich zu retten?«

»Du irrst dich.«

»Leg ihn doch um«, zischte Franco plötzlich, »Mensch, leg ihn um, damit er endlich sein Maul hält. Wir können ihn doch auch hier verschwinden lassen.

Schmeißen wir ihn in den Fahrstuhlschacht!«

»Ruhe.« Teilhard hatte es leise und drohend gesagt. »Du weißt genau, daß das gegen die Befehle wäre. Ich bin nicht lebensmüde, Franco. Ich will mich nicht mit Maurice anlegen.«

Previn überlegte krampfhaft, ob er einen Mann namens Maurice kannte, aber es wollte ihm nicht einfallen. Plötzlich hatte er einen schrecklichen Verdacht. Doch noch wehrte er sich dagegen, diesen Gedanken vollends anzunehmen.

Teilhard beugte sich über ihn. »Los jetzt, Mann. Ich weiß, daß du dich in den japanischen Kampfsportarten auskennst. Ich weiß, daß du hundert Tricks auf Lager hast. Aber du sollst dir eines klarmachen: Ich lege dich um, wenn du in der Halle Sperenzchen machst. Einer, der die Kanone im Rücken hat, überlegt sich doch einiges, schätze ich.«

»Du hast nichts zu verlieren, was?« Jacques Previn stand auf.

»So ungefähr.«

»Du wirst staunen, aber ich glaube dir. Wohin bringt ihr mich?«

»Du erfährst es im Wagen.« Teilhard beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Die Mündung der Schalldämpferpistole richtete sich auf Previns Bauch. »Franko, wir fahren weiter. Du weißt, wie du dich unten zu verhalten hast!«

 

 

*

 

Die beiden Gangster hätten fast als Schauspieler auftreten können. Sie hatten Previn in die Mitte genommen und ihn eingehakt, eine freundschaftliche Geste, die in Südfrankreich unter Männern durchaus üblich war und kein Aufsehen erregen konnte. Während sie vom Lift aus durch die Halle auf das Foyer zusteuerten, redeten sie beide auf ihren Gefangenen ein, lachten und scherzten.

Jacques Previn überlebte tatsächlich. Er spürte die Mündung der MAB in seiner rechten Seite. Teilhard hatte sie vollendet unter seinem Jackett verborgen, so daß kein Mensch in der Halle argwöhnisch werden konnte.

Es hatte keinen Zweck, einen Ausbruchsversuch zu unternehmen.

Previn hatte genügend Menschenkenntnis und Erfahrung, um das zu wissen. Diese beiden Gangster würden tatsächlich nicht fackeln, ihn niederzuschießen. Sie waren abgebrüht genug, um danach fortrennen und sich absetzen zu können, bevor jemand die Polizei alarmierte oder eingriff. Was immer sie mit ihm vorhatten, dies war nicht der Augenblick, sich zu widersetzen.

Einen günstigeren Moment abwarten, schoß es dem Mann mit dem Vollbart durch den Kopf, ich kriege bestimmt noch eine Chance.

»Na, nun zier dich nicht so und komm mit«, plauderte Teilhard in scheinbar überzeugendem Tonfall auf ihn ein, »du wirst sehen, daß der Club, in den wir dich schleppen, wirklich ein toller Laden ist.«

»Außerdem ist es erst kurz nach zehn«, fügte Franco grinsend hinzu.

Der Pförtner war an seinem Platz. Previn versuchte, ihm einen Blick zuzuwerfen. Es gelang nicht. Der Mann schaute nicht einmal herüber, als sie sich der Drehtür zuwandten und das Hotel »Cicogne« verließen.

Die Gangster brachten Previn in eine Seitenstraße. Hier parkte ein weißer Simca 1501 an der Bordsteinkante, Der hintere Schlag wurde von innen aufgestoßen.

»Steig ein«, sagte Teilhard, »denke dran, daß meine Warnung immer noch gilt.«

Previn setzte sich in den Fond. Der Mann, der den Schlag geöffnet hatte, rückte vor ihm weg und zeigte ihm einen 38er Colt-Bodyguard. Eine Waffe mit verdecktem Hahn, mit der man mehrmals aus der Jackentasche heraus feuern konnte, ohne Gefahr zu laufen, daß sich das Jackenfutter zwischen Hahn und Zündbolzen klemmte und das Feuern verhinderte. Genau das richtige für einen Killer, dachte der Mann mit dem Vollbart.

Er drehte etwas den Kopf und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Franco mit gezügelter Hast zu dem hinter dem Simca stehe...

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